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Wiedersehen mit Vamperl

Wiedersehen mit Vamperl

Titel: Wiedersehen mit Vamperl
Autoren: Renate Welsh
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aus einem Schlagloch ins nächste. Jetzt ärgerte sich Frau Lizzi, dass sie den ersten Sitz gewählt hatte,
     der als Beobachtungsposten denkbar ungeeignet war.
    Eigentlich stand noch eine Grotte auf dem Programm, aber den meisten war für heute die Lust auf Höhlen gründlich vergangen.
     Frau Lizzi verstand das natürlich, konnte aber das unbehagliche Gefühl nicht loswerden, dass sie genau dort Vamperl gefunden
     hätte.
    »Verzeihen Sie, bitte«, sagte sie zum Fahrer, »es ist mir sehr peinlich, aber bei alten Damen ist es manchmal wie bei kleinen
     Kindern. Könnten Sie kurz anhalten?«
    Schon fuhr der Bus an den Straßenrand. Frau Lizzi stieg aus, wanderte in den Wald hinein. Als sie sicher war, dassihr niemand folgte und dass man sie vom Bus aus nicht mehr hören konnte, sang sie das Lied, das sie für Vamperl gedichtet
     hatte:

    Ja, so ein Vampir
    ist kein böses Tier,
    muss es nicht sein,
    wenn er von klein
    auf Liebe spürt.

    Mein Vamperl trinkt nur Milch und mag kein Blut
    und macht die bösen Leute alle wieder gut.
    Wenn einer tobt und schreit, was er kann,
    dann flitzt mein Vamperl lautlos heran,
    saugt ihm ein bisschen Gift aus der Gall’– erledigt der Fall!
    Mein Vamperl trinkt nur Milch und mag kein Blut
    und macht die bösen Leute alle wieder gut.
    Sie war überzeugt, dass Vamperl sofort kommen würde, wenn er das Lied hörte. Aber es blieb still im Wald. Nur ein Specht hämmerte
     an einer hohen Föhre.
    »So weit müssen Sie nicht weggehen«, empfing sie der Reiseleiter. »Kein Mensch schaut Ihnen etwas ab!«
    »Junger Mann«, sagte Frau Schmied streng, »in Fragen des Anstands sind Sie gewiss keine Autorität. Die können Sie getrost
     uns überlassen.«
    Sie zwinkerte Frau Lizzi zu. Der Reiseleiter schrumpfte in seinen Sitz.
    Bis zum nächsten Halt in einem Dorf mit freundlichen schiefen Häusern und einem Friedhof voll bunter Blumen rund um eine alte
     Kirche sprach er kein Wort.
    »Hier bekommt man direkt Lust, sich ins Grab zu legen«, sagte Leonora, alssie zwischen weinenden Engeln und schmiedeeisernen Kreuzen standen.

    Vögel zwitscherten, zwei Eichhörnchen jagten einander in einer riesigen Buche, Bienen schwärmten um die Stiefmütterchen, Levkojen
     und Rosen. Frau Pfeiffer verzog den Mund. »Keine besonders taktvolle Bemerkung.«
    Die Gruppe betrat die Kirche. Wieder hatte Frau Lizzi das Gefühl, dass Vamperl irgendwo in der Nähe war. Sie musste unbedingt
     auf den Dachboden kommen!

    »Mein Vater war Zimmermann«, behauptete sie, »er hat mir immer die Dachstühle alter Kirchen gezeigt. Ich muss einfach da hinauf,
     ihm zu Ehren, das verstehen Sie doch?«
    Ächzend kletterte sie die enge Wendeltreppe hinauf und dann über die Leiter zum Glockengestühl. Fünf Fledermäuse hingen kopfunter
     an den Balken, in ihre säuberlich gefalteten Flügel eingewickelt. Frau Lizzis Herz schlug schneller. Leise summte sie das
     Vamperllied.
    Aber die Fledermäuse rührten sich nicht.
    Die Sonne stand schon tief, als der Bus auf dem Parkplatz vor einer Burgruine stehen blieb. Der Reiseleiter hatte seine Munterkeit
     wieder gefunden.
    »Kommen Sie auf Draculas Schloss!«, rief er. »Hier und nicht, wie gewisse ungebildete Leute wissen wollen, in Bran, hat Vlad
     Tepes, das Vorbild Draculas gelebt.« Mit weit ausholendenGesten schilderte er die Grausamkeit des Bösewichtes, erzählte genüsslich, wie er seine Feinde ermordete und ihre Köpfe auf
     den Zinnen seiner Burg ausstellte.

    Wie schade, dachte Frau Lizzi, dass man die Ohren nicht wie die Augen zumachen kann. Ich wollte, ich hätte Ohrenlider!
    Sie stand am äußersten Rand der Gruppe und sah zwei Habichten zu, die vor den rot glühenden Wolken Kunstflüge übten.
    Hier war Vamperl nicht, da war sie ganz sicher. Mit solchen Verwandten, wenn das alte Scheusal überhaupt ein Verwandter war,
     würde er nichts zu tun haben wollen.
    Herr Stanzer stellte mit Eusebius’ Hilfe komplizierte Berechnungen an und bestand darauf, in die Kellergewölbe hinabzusteigen.
     »Es ist unerlässlich für meine wissenschaftlichen Forschungen, gerade diese Gewölbe zu untersuchen. Absolut unerlässlich.
     Gerade hier verspreche ich mir, die
Emanationen
Draculas messen zu können, ich habe da ein eigenes Instrument entwickelt   ...«
    »Wen will er messen?«, fragte Herr Schmied. »Eine Emma? Was für eine Emma?«
    »Emanationen!«, sagte Lucinda ungeduldig. »Die Ausstrahlung seines Geistes – oder Ungeistes, die noch in diesen Mauern hängt,
     wo Dracula
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