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Gestohlene Wahrheit

Gestohlene Wahrheit

Titel: Gestohlene Wahrheit
Autoren: Julie Ann Walker
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Prolog
    Jacksonville, North Carolina
    Vor dem Haus der Morgans
    Diese Schreie …
    Er hatte beileibe schon eine Menge Mist im Leben miterlebt. Einen Großteil davon hatte er selbst verursacht, aber nur sehr wenig traf ihn derart, wie es diese Schreie taten. Diese seelenzerreißenden, durchdringenden Ausdrücke untröstlichen Leids.
    Während sich Nate Weller, der den meisten innerhalb der Spezialeinheit schlicht als »Ghost« bekannt war, in den Jeep setzte, den ihm General Fuller bei seiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten zur Verfügung gestellt hatte, fand er es irgendwie angemessen. Jedes laute Aufkreischen stellte gewissermaßen das Ausrufezeichen am Ende einer Mission dar, die von einem schlechten zum denkbar übelsten vorstellbaren Szenario geworden war, und ein herzzerreißender Schrei schien ihm irgendwie eine passende Untermalung des Endes zu sein, das das bemerkenswerte Leben seines besten Freundes gefunden hatte.
    Grigg …
    Großer Gott, war es wirklich erst zwei Wochen her, dass sie in Istanbul Raki getrunken hatten? Hatten sie die Grenze nach Syrien tatsächlich erst vor zwei Wochen überquert, um eine Auslöschung vorzunehmen?
    Das war auch so eine Sache. »Auslöschung.« Himmel, was für ein Wort. Eine lächerliche, euphemistische Art zu sagen, dass man einem ahnungslosen Schweinehund, der das Pech hatte, auf der Abschussliste von Uncle Sam zu stehen, mit einer Mündungsgeschwindigkeit von knapp 800 Metern pro Sekunde eine heiße Bleikugel in den Schädel pustete.
    Tja, in dem Schlamassel möchte wohl niemand stecken.
    »Bring mich hier raus«, keuchte Alisa Morgan, als sie die Beifahrertür aufriss und sich auf den Sitz fallen ließ, wobei sie den Geruch nach Sonnenschein und Geißblatt mit in den Wagen brachte.
    Irrsinnig angenehme Düfte, wenn man bedachte, dass Nates Tag im siebten Höllenkreis begonnen hatte und von da an immer schlimmer geworden war. Sollte nicht eher der schwefelige Geruch nach faulen Eiern in seiner Nase brennen?
    Er warf der zarten Frau neben sich einen Blick zu. Sie saß wie erstarrt da und zitterte, weil sie sich so bemühte, ihre Trauer zu unterdrücken, und sein dummes Herz wurde weich, während es ihm die Kehle zuschnürte. So war es schon vom ersten Tag an gewesen, an dem er Ali, Griggs kleine Schwester, kennengelernt hatte.
    Seine
kleine
Schwester.
    Klein war sie schon damals nicht gewesen, sondern eher eine junge Frau mit ihren siebzehn Jahren. Und heute? Mehr als zwölf Jahre später? Mann, jetzt war sie ein Vollblutweib. Mit ihrem strahlend blonden Haar, den lebendigen, bernsteinfarbenen Augen und ihrem Gesicht konnte sie ihn in den Wahnsinn treiben. Oh Mann, dieses Gesicht war ein Hammer, es erinnerte ihn immer an eine Disney-Prinzessin. Und von ihrem Körper wollte er lieber gar nicht erst anfangen. Himmel noch mal.
    Er wollte sie noch so sehr, wie er sie damals gewollt hatte. Vielleicht sogar noch mehr. Okay, definitiv mehr. Darum tobte in seinem Inneren ein ständiger Kampf, wenn sie sich ihm auch nur auf wenige Meter näherte, bei dem seine halsstarrige Libido gegen den gerade erst wieder angewachsenen Berg aus Reue-, Schuld- und Wutgefühlen ankämpfte, die ihn so sehr ermüdeten. Er war all das so unendlich leid.
    »Was ist mit deiner Familie?«, murmelte er, da er Angst hatte, zu laut zu sprechen und sie, die sich gerade ein wenig unter Kontrolle hatte, aus der Fassung zu bringen. »Möchtest du bei ihr sein?«
    Er sah über den winzigen grünen, gepflegten Rasenabschnitt zu dem kleinen, weißen Schindelhaus mit der dunkelroten Verkleidung und den dazu passenden Fensterläden. Himmel, sah es hier gemütlich aus. Alles war so sauber, so einfach und so heimelig. Wer hätte gedacht, dass die Menschen im Inneren gerade an den Nachwirkungen der Bombe zu leiden hatten, die er dort hatte platzen lassen?
    Sie schüttelte den Kopf und starrte geradeaus durch die Windschutzscheibe, während sie die Nasenflügel blähte und versuchte, die Tränen zurückzuhalten, die sich in ihren Augen sammelten. »Sie wollen … oder brauchen … mich jetzt nicht. Ich erinnere sie nur daran, dass … dass …« Ihre Stimme versagte, und Nate musste sich zusammenreißen, um sich nicht umzudrehen und sie in die Arme zu nehmen.
    Behalt deinen Schwanz unter Kontrolle, Kumpel. Wenn du meine kleine Schwester anrührst, bring ich dich um
, hatte ihm Grigg an dem Tag zugeflüstert, an dem er Nate seine Familie vorgestellt und das Funkeln in dessen Augen bei Alis Anblick bemerkt
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