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Wiedersehen mit Vamperl

Wiedersehen mit Vamperl

Titel: Wiedersehen mit Vamperl
Autoren: Renate Welsh
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dazu passte kein freundlicher Vampir, der bösen Menschen das Gift aus
     der Galle saugte und mit einem Ballon in die weite Welt geflogen war um seine Vamperlina zu suchen.
    Als der Reiseleiter mit seinen dünnen Fingern auf sie zeigte und sie um einen Beitrag bat, stand sie gehorsam auf. Sie räusperte
     sich, dann sang sie das Vampirlied. Sie hatte es nie mehr gesungen, seit sie Vamperl im Spinnennetz gefunden hatte, weil sie
     dachte, es könnte ihn vielleicht kränken. Ihre Stimme zitterte bei den ersten Zeilen, dann sang sie frei:

    In düstrer Waldesschlucht und alten Mauern,
    wo Füchse schleichen und der Uhu krächzt,
    da überkommt dich, Freund, ein kaltes Schauern,
    weil der Vampir nach deinem Blute lechzt.
     
    Die schöne Adelheid von siebzehn Jahren
    ging einstens hin zum Walde ganz allein.
    Es war ihr Liebster in die Welt gefahren,
    sie wollt’ ihm eine Abschiedsträne weih’n.
     
    Da hört sie plötzlich eine Stimme sagen:
    »Warum, o Mädchen, bist du so allein?
    Ach, würde doch dein Herz für mich nur schlagen!
    Du solltest eine Königin mir sein.
     
    Ich würde dich in Samt und Seide kleiden,
    mit Zuckerbrot und Wein dein Herz erfreu’n.
    Und nie und nimmer würd’ ich von dir scheiden,
    wollt’st du mein Weib und meine Herrin sein!«
     
    Die schöne Adelheid, sie lauscht dem Werben.
    Ach, Adelheid, wie ist dein Mund so rot!
    Noch eh die Sonne sinket, musst du sterben,
    liegst bleich und still im Moose und bist tot.
    Alle klatschten so laut, dass Frau Lizzi erschrak. Sie setzte sich verwirrt, wurde sofort umringt und gebeten den Text aufzuschreiben.
    »Sie müssen es uns vorsingen, bis wir alle es können!«
    Frau Lizzi bedankte sich verlegen.
    Sie war froh, als die Pendeluhr in der Wirtsstube nebenan zu schlagen begann und der Reiseleiter laut mitzählte: »Neun, zehn,
     elf, ZWÖLF – Geisterstunde. Zeit, schlafen zu gehen. Ihre Zimmerschlüssel haben Sie ja alle? Sperren Sie gut zu und schließen
     Sie die Fenster! Ich wünsche Ihnen allen eine recht gruselige Nacht!«
    Frau Lizzi ging in ihr Zimmer. Auf ihrem Kopfkissen saß eine riesige schwarze Spinne mit ungeheuer haarigen Beinen.
    »Spinne am Abend bringt Glück und Gaben«, sagte sie, öffnete das Fenster, nahm ein Taschentuch und schob die Spinne vorsichtig
     darauf. Da erstmerkte sie, dass das Tier aus Plastik war.

    Aus beiden Nebenzimmern tönten spitze Schreie, Türen gingen auf. »Eine Spinne! Eine schwarze Witwe!«, kreischte Lucinda.
    »Eine schwarze Witwe!«, keuchte Eusebius.
    Frau Lizzi entfernte die schrecklichen Gefahren aus beiden Zimmern in ihrem Taschentuch.
    »Sie sind eine unglaublich tapfere Frau«, sagte Eusebius.
    »Sie haben mir das Leben gerettet«, seufzte Lucinda.
    Frau Lizzi wollte ihnen die Wahrheit sagen, entschied sich dann aber, dass es freundlicher war, sie nicht aufzuklären.
    »Gute Nacht allerseits.«
    »Gute Nacht«, wünschten auch Lucinda und Eusebius. »Vom Gruseln haben wir für heute genug.«
    Frau Lizzi legte sich ins Bett, zog die Decke so weit hinauf, wie es möglich war, ohne die Füße im Freien zu lassen, sandte
     Vamperl einen Gruß in alle vier Himmelsrichtungen und schlief tief und traumlos.

Verschwundene Perlen
    Gleich nach dem Frühstück brach die Gesellschaft auf. Heute stand der Besuch einer Tropfsteinhöhle auf dem Programm. Frau
     Lizzi war damit beschäftigt, sich falsche Hoffnungen auszureden.
    Warum sollte mein Vamperl ausgerechnet hier gelandet sein?, fragte sie sich, stellte aber sofort die Gegenfrage: Warum
nicht
ausgerechnet hier?
    Sie war so in Gedanken, dass sie beinahe ihre Reisetasche vergessen hätte und noch einmal zurücklaufen musste. Das Zimmermädchen
     putzte gerade das Waschbecken. Neben Handtüchern und Bettwäsche stand auf dem Wagen eine Schachtel voll mit Plastikspinnen.
     »Betthupferl«, sagte Frau Lizzi.
    »Betthuff«, wiederholte das Zimmermädchen und glaubte von nun an, Spinnen hießen auf Deutsch
Betthuff
.
    Neben der Straße eilte ein kleiner Bach über glitzernde Steine, eine Bachstelze wippte im Sprühregen auf einem Felsbrocken,
     Glockenblumen blühten an den Hängen. Frau Lizzi musste das Vampirlied singen, alle summten und brummten mit. Zwischen den
     Strophen hupte der Fahrer kurz-kurz-kurz-laaang.
    Die Höhle war wunderbar, die seltsamsten Gebilde hingen von der Decke, wuchsen aus dem Boden.
    »Sehen Sie nur, ein Hexenreigen«, rief Lucinda.
    »Keineswegs«, sagte Herr Stanzer streng, »hier handelt es sich um eine Karawane. Beachten
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