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Tote Finnen tanzen keinen Tango: Kriminalroman (German Edition)

Tote Finnen tanzen keinen Tango: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Tote Finnen tanzen keinen Tango: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Markku Ropponen
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I
    7. Juni Kriminalhauptmeister Sakari Antikainen hatte an der hinteren Wand seiner Garage einen Ganzkörperspiegel aufgehängt. Sobald er das Tor aufschob und Licht machte, konnte er einen Blick auf sein Spiegelbild werfen, was seinem Selbstbewusstsein verblüffend viel Pep und dem beginnenden Tag Schwung verlieh. Man konnte dieses Ritual von wenigen Sekunden vielleicht als Eitelkeit bezeichnen, weil Antikainen sich bereits im Zuge seiner Morgentoilette aus verschiedenen Entfernungen im Bad- wie auch im Flurspiegel betrachtet hatte, aber er nahm damit ja niemandem etwas weg.
    Der leichte Wind am frühen Morgen kitzelte im kurz geschorenen Nacken. Antikainen ging an seinem DienstPassat entlang auf den Spiegel zu. An den Seitenwänden hingen Werkzeug und Winterreifen sowie ein Kalender, auf dem sich eine Vollblutbrünette auf der Motorhaube eines Sportwagens rekelte und auf das Spinnennetz starrte, das über Antikainen im Luftstrom zitterte.
    Antikainen lächelte. Der Spiegel war ein Erbstück seines Onkels und hatte die Form einer Sanduhr, oben und unten breit, in der Taille schmal. Einmal war eine Salve Regalbodenhalter auf den unteren Rand der Kristallfläche geprasselt, weil Antikainen aus Versehen mit der Polierscheibe, die dreitausend Umdrehungen pro Minute schaffte, in deren Nähe gekommen war. Das Geräusch hatte an eine automatische Waffe erinnert, aber der Spiegel hatte es ausgehalten, sah man von einem kleinen Sprung am unteren Rand ab.
    Antikainen war nicht schlank in der Taille, sondern ordentlich übergewichtig. Er selbst hatte das Gefühl, sich in der Form seines Lebens zu befinden, weshalb er den guten Ratschlägen kein Gehör schenkte, die ihm empfahlen, den Petersilienzweig ernst zu nehmen, der in der Polizeikantine als lästerliches Blumengebinde am Rand seines Bauernfrühstücks oder Jägerschnitzels niedergelegt wurde.
    Gewicht erhöhte die Glaubwürdigkeit. Er hatte nie Not gelitten und führte selbst bei vorsichtiger Rechnung seit fast dreißig Jahren ein Leben von bester Qualität. Dass die Beförderungswege auf seiner Dienstlaufbahn verstopft waren, weil man ihn mit Alkohol am Steuer erwischt hatte, wurmte ihn nicht allzu sehr.
    Er wusste um den Ruf, den er in lokalen Kreisen hatte, dank seiner beruflichen Kompetenz und seines mit sprühendem Humor gesegneten Charakters, dem es, wenn nötig, aber auch nicht an Härte fehlte. Seine heimlichen Vorbilder, an denen er immer wieder seinen Spaß hatte, waren die dickbäuchigen Einsatzleiter in den amerikanischen Polizeiserien, die in Krisensituationen mit schlechter Körperhaltung Befehle erteilten und sich dabei so sparsam brüsteten, dass es einen nicht ankotzte. Jene Männer waren durch die Schule des Lebens gegangen und scheuten auch nicht davor zurück, in dunklen Hinterzimmern einem Gegner die Fresse zu polieren. Zwar fand Antikainen die Welt der Filme ein bisschen kindisch, trotzdem hoben sich seine Mundwinkel bisweilen, wenn er der Züchtigung eines Halunken zusah.
    An diesem Morgen trug Antikainen eine dunkelblaue Hose mit gut gebügelten Falten und ein Sommerhemd aus modernem, atmendem Material, dessen Muster schwer zu benennen war, in seiner metallischen Maskulinität aber das Auge erfreute. Er spannte den Bizeps an und fletschte die Zähne. Dann nahm er den Spiegel von der Wand und stellte ihn auf den Boden. Das Geheimfach hinter den zwei losen Backsteinen war vielleicht nicht der bestmögliche Aufbewahrungsort, aber wer sollte schon in seiner Garage herumschnüffeln? Er schob die Hand in die Öffnung und zog die Ökostofftasche eines Supermarktes heraus. Die fest in Folie eingewickelte vierhundertfünfzig Gramm schwere Wurst lag gut in der Hand. Sie fühlte sich nach sechzigtausend Euro an, was umgerechnet in alte Finnmark so verdammt viel war, dass man einen feuchten Mund bekam.
    Ein Lächeln erhellte Antikainens Gesicht. Er verstaute das Paket in einer doppelten Plastiktüte und schob es unter den Vordersitz seines Dienstwagens.
    Die Dächer von Jyväskylä strahlten in der Morgensonne. Der Stundenzeiger an der Uhr auf der Westseite des Stadtwaldbergs hatte dem Wochenendgewitter nicht standgehalten und zeigte noch immer die bleichen frühen Morgenstunden an. Antikainen hielt den Ellenbogen aus dem Fenster und fragte sich, wann sie den Zeiger wohl zurechtrücken würden. Die Kasper bei den Stadtwerken würden erst wach werden, wenn die Zeitung die ersten Leserbriefe zu dem Thema druckte, und ihre Schlamperei damit begründen, sie
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