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Wiedersehen in Virgin River

Wiedersehen in Virgin River

Titel: Wiedersehen in Virgin River
Autoren: Robyn Carr
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erschien ihr wie ein unerfüllbarer Traum. Bereits jetzt schaffte sie es kaum, über die Runden zu kommen, und ihre Mutter hatte einen zweiten Job angenommen, nachdem ihr Vater gestorben war. In ihrer Mutter erkannte sie ihre eigene Zukunft – allein, schwach und von der Arbeit zu Tode erschöpft. Sie stellte sich vor, wie ihre mürrischen Mitbewohnerinnen auf ihrer Hochzeit hübschen Satin tragen würden, lächelten und sie dabei um ihr glückliches Schicksal und das bequeme Leben, das vor ihr lag, beneideten. Und schon hatte sie Ja gesagt.
    In den Flitterwochen schlug er sie erneut.
    Während der folgenden sechs Jahre hatte sie alles versucht. Beratung, Polizei, Flucht. Immer wurde er gleich wieder entlassen, wenn sie sich überhaupt einmal die Mühe machten, ihn festzunehmen. Und wenn sie sich versteckte, fand er sie, und dann wurde alles nur noch schlimmer. Selbst die Schwangerschaft und Christophers Geburt hatten den Misshandlungen kein Ende gesetzt. Zufällig entdeckte sie dann, dass noch ein anderer Faktor an der Situation beteiligt sein könnte. Eine gewisse Chemie, die ihm die Energie verlieh, so lange arbeiten zu können und sich so dabei zu verausgaben, sie zu kontrollieren. Diese Anfälle von Euphorie, seine unberechenbaren Stimmungen – ein weißes Pulver in einem kleinen Fläschchen. Kokain? Und dann nahm er auch noch etwas, das ihm von seinem persönlichen Trainer verabreicht wurde, obwohl er schwor, dass es keine Steroide wären. Viele Börsianer nahmen Amphetamine, um den Anforderungen ihres Jobs standhalten zu können. Kokainkonsumenten waren gewöhnlich gertenschlank, aber Wes war stolz auf seinen Körper, seine Statur, und er arbeitete hart daran, seine Muskeln aufzubauen. Sie erkannte, dass eine Diät aus Koks und Steroiden ihn überaus reizbar machen konnte. Und auch wenn sie nicht wusste, wie sehr und wie lange schon, eins wusste sie: Er war verrückt.
    Dies war ihre letzte Chance. Über ein Asyl hatte sie eine Frau kennengelernt, die sagte, sie könne ihr dabei helfen zu entkommen, ihre Identität zu wechseln und zu fliehen. Es gab eine Untergrundorganisation, die misshandelten Frauen und Kindern in ausweglosen Situationen half. Wenn sie und Christopher es nur schafften, bis zur ersten Kontaktadresse zu gelangen, würde man sie von Ort zu Ort weiterleiten, wobei sie auf diesem Weg mit neuen Personalpapieren, Namen, Geschichten und einem neuen Leben ausgestattet würden. Das Gute daran war, oft funktionierte es. Wenn die Frauen den Anweisungen folgten und die Kinder jung genug waren, war es beinahe wasserdicht. Das Schlechte daran war, es war illegal, und es war für immer. Ein Leben wie dieses, überdeckt mit blauen Flecken und in ständiger Angst, eines Tages umgebracht zu werden? – Oder das Leben einer anderen Person, einer Frau, die nicht verprügelt wird?
    Sie begann Geld von ihrem Haushaltsgeld abzuzweigen und packte eine Tasche, die sie bei einer Kontaktperson von einem Asyl versteckte. Es gelang ihr, fast fünfhundert Dollar zu sparen, und sie war fest entschlossen, sich selbst und Christopher in Sicherheit zu bringen, bevor es zu einem weiteren schlimmen Übergriff kam. Nach der letzten Episode wusste sie, dass es beinahe zu spät war.
    Und hier lag sie also nun und sah zu ihrer dritten V-förmigen Decke auf. Sie wusste, dass sie nicht schlafen würde. In sechs Jahren hatte sie kaum geschlafen. Über die Autofahrt machte sie sich keine Sorgen, denn mit so viel Adrenalin im Blut würde sie es schon schaffen.
    Dann aber wurde sie vom Sonnenlicht geweckt, und von einem regelmäßigen Schlagen. Jemand war dabei, Holz zu hacken. Vorsichtig setzte sie sich auf und roch Kaffee. Sie hatte also doch geschlafen, und ebenso Christopher.
    Die Kommode stand noch immer vor der Tür.

2. KAPITEL
    P reacher hatte kaum ein Auge zugetan, denn die halbe Nacht hatte er am Computer verbracht. Diese kleine Maschine schien wie für ihn geschaffen, denn er informierte sich immer gerne über alles Mögliche. Er hatte auch schon versucht, Jack dazu zu bringen, die Inventarliste und die Rezepte in den Computer einzugeben, aber Jack besaß ein Klemmbrett, und das war wie die Verlängerung seines Arms. Mit Preachers Technik wollte er nichts zu tun haben. Leider hatten sie keinen Kabelanschluss, deshalb dauerte es immer lange, aber Preacher war geduldig und letztendlich funktionierte es ja.
    Den Rest der Nacht hatte er dann versucht einzuschlafen, was ihm aber völlig misslungen war. Mehrmals war er aus dem
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