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Wiedersehen in Virgin River

Wiedersehen in Virgin River

Titel: Wiedersehen in Virgin River
Autoren: Robyn Carr
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Licht im Bad brennen und legte sich vorsichtig aufs Bett. Oben auf die Bettdecke, denn sie wusste, dass sie nicht schlafen könnte. Nach kurzer Zeit wurde sie dann aber doch etwas ruhiger. Sie starrte zur Decke hinauf, wo die Holzbalken ein perfektes V bildeten, und erinnerte sich daran, dass es jetzt das dritte Mal in ihrem Leben war, dass sie vom Bett aus zu einer solchen Decke aufschaute.
    Zum ersten Mal war es das Haus gewesen, in dem sie aufgewachsen war. Damals waren es unbehandelte Holzlatten gewesen, zwischen denen rosafarbenes Isoliermaterial hervorquoll. Es war ein kleines Haus mit nur zwei Schlafzimmern, und es war bereits altgewesen, als ihre Eltern dort eingezogen waren. Aber vor zwanzig Jahren war das Wohnviertel dort noch sauber und ruhig gewesen. Seit ihrem zehnten Lebensjahr hatte ihre Mutter sie auf dem Speicher untergebracht, wo sie den Platz mit Kisten voller eingelagertem Hausrat teilte, die man gegen eine Wand geschoben hatte. Aber es war ihr Raum, und dorthin zog sie sich zurück, wann immer sie konnte. Von ihrem Bett aus konnte sie hören, wie sich ihre Mutter und ihr Vater stritten, und nachdem ihr Vater gestorben war, hörte sie, wie sich ihr älterer Bruder Bud mit der Mutter stritt.
    Nach allem, was sie in den letzten Jahren über häusliche Übergriffe gelernt hatte, war eigentlich zu erwarten gewesen, dass sie bei einem Schläger landen würde, auch wenn ihr Vater sie oder ihre Mutter niemals geschlagen hatte und das Schlimmste, das sie von ihrem Bruder je erhalten hatte, ein Stoß oder ein Schlag in den Arm gewesen war. Aber Mann, was konnten die Männer in ihrer Familie brüllen! So laut, so wütend, dass sie sich nur wunderte, wieso die Fenster nicht zersprungen waren. Die schlimmsten Ausdrücke kamen zum Einsatz, um zu fordern, herabzusetzen, zu beleidigen, beschuldigen, grollen und zu strafen. Es war eigentlich nur ein gradueller Unterschied: Misshandlung ist Misshandlung.
    Das nächste Mal sah sie dann wieder zu einer solchen Decke hoch, als sie von zu Hause ausgezogen war. Nach der Highschool hatte sie eine Kosmetikschule besucht, während sie noch bei ihrer Mutter wohnte, der sie Miete zahlte, bis sie einundzwanzig war. Zusammen mit zwei Freundinnen, Kosmetikerinnen wie sie, mieteten sie dann die Hälfte eines alten Hauses. Paige war glücklich, wieder den Speicher als Schlafzimmer nehmen zu können, auch wenn er nicht einmal so groß war wie ihr Kinderzimmer und sie sich größtenteils bücken musste, um nicht mit dem Kopf an die schrägen Wände zu stoßen.
    Ihre Augen füllten sich mit Tränen, denn die zwei Jahre mit Pat und Jeannie waren in ihrer Erinnerung die glücklichsten ihres Lebens gewesen. Manchmal vermisste sie die beiden so sehr, dass es schon wehtat. Drei Friseurinnen, die nach Miete, Lebensmitteln und Kleidung meist pleite waren, und ihr war es vorgekommen wie im Paradies. Wenn sie es sich nicht leisten konnten auszugehen, kauften sie sich eben Popcorn und billigen Wein und feierten damit eine Party zu Hause, wo sie über die Frauen herzogen, deren Haare sie geschnitten und gesträhnt hatten, über ihre Freunde und Sex, und dabei lachten sie, bis sie nicht mehr gerade sitzen konnten.
    Dann trat Wes in ihr Leben. Ein erfolgreicher Geschäftsmann, sechs Jahre älter als sie. Die Vorstellung, dass er damals erst so alt war wie sie heute, nämlich neunundzwanzig, war schockierend, denn er war ihr so erwachsen und weltmännisch vorgekommen. Sie hatte ihm erst zwei Monate lang die Haare gestylt, bevor er sie einlud und in ein vornehmes Restaurant ausführte, in dem die Bedienung besser gekleidet war als sie selbst. Er fuhr einen nagelneuen Grand Prix mit weichen Ledersitzen und dunkel getönten Scheiben. Und er fuhr zu schnell, was sie mit dreiundzwanzig nicht gefährlich fand. Es war aufregend. Und selbst wenn er andere Fahrer anbrüllte und ihnen den Stinkefinger zeigte, kam es ihr vor, als sei es sein gutes Recht. Sie fand ihn beeindruckend, und nach ihren Maßstäben war er reich.
    Er besaß bereits ein Haus, und das musste er nicht einmal mit Hausgenossen teilen. Mit dem Handel von Aktien und Rohstoffen hatte er Karriere gemacht, ein anstrengender Job, der Scharfsinn und ein hohes Maß an Energie erforderte. Jeden Abend wollte er mit ihr ausgehen, kaufte ihr Sachen oder zog seine Brieftasche hervor und sagte: „Ich weiß ja nicht, was du dir wirklich wünschst, welche Kleinigkeit dich zu Tränen rühren könnte, weil sie einfach so perfekt ist. Deshalb möchte
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