Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie ich Schriftsteller wurde

Wie ich Schriftsteller wurde

Titel: Wie ich Schriftsteller wurde
Autoren: Norbert Golluch
Vom Netzwerk:
schon seit Eröffnung des Lokals recht unterschiedliche
Meinungen im Umlauf sind. Einige K12-Kunden mit besonders beeindruckenden
Rauscherlebnissen vermuten, dass Hühnerherzen, die Knochen schwarzer Katzen,
getrocknete Fledermausflügel und die Erde aus einem frischen, noch offenen Grab
diesen Getränken ihre Wirkung verleihen – neben den Unmengen von weißem Rum,
die darin enthalten sind. Besonders der letzte namens „Bondieu’s Coffin“ hatte
ihr ziemlich zugesetzt, sodass Benno und ich sie deutlich unterstützend zum
Bett begleiten mussten.
     
    Als ich sie jetzt wecke, wirkt sie erstaunlich frisch.
     
    „Wer macht Frühstück?“
     
    Benno war schon unterwegs, Brötchen holen, eben tritt er
durch die Tür. Der Kaffee lässt die Alkoholwerte im Blut deutlich ansteigen,
was meine Krise verstärkt. Ich weihe Paula ein, dass ich mit ihr und ihren
kreativen Kräften gerechnet habe, was die Herstellung eines Dummys angeht.
     
    „An welches Format hast du denn gedacht?“
     
    Ich gehe zum Bücherregal, ziehe irgendein Buch heraus. Anna Huhn,
„Süßkirsche rot“. Das hat mir damals Gerlinde geschenkt, um unserer Beziehung
eine geistige Komponente zu verleihen. Das scheint ihr nicht gelungen zu sein,
denn ich erinnere mich nicht im Geringsten an den Inhalt.
     
    „Ok, das ist handlich“, ist Paulas ganzer Kommentar. Sie
schnippelt mit einer dieser kleinen Kindergarten-Scheren an einem Foto von mir
herum, bis es vom Seitenverhältnis her exakt auf den Titel passt. „Kann ich mal
deinen Rechner benutzen?“
     
    Sie verschwindet im Arbeitszimmer, ich höre den Scanner,
eine Weile nichts, dann den Drucker, wieder eine Weile nichts. Schließlich
kommt Paula triumphierend mit meinem Buch in der Hand zurück.
     
    „Bitte schön, einmal Vorab-Exemplar ‚Klytämnestras Rache’!
     
    Sieht gut aus. Meine Befürchtungen schwinden.
     

Klytämnestras Rache
    Gegen 21:00 Uhr klingelt es. Es ist die Limousine, die mich
zum Studio bringen soll. Ich bin eigentlich ganz gut drauf, habe am Nachmittag
einen meiner postalkoholischen Zusammenbrüche, falle gegen 16:00 Uhr ins Bett, schlafe
wie ein Stein, erwache wie ein junger Gott, na ja, wie einer in den besten
Jahren. Dann lasse ich Paulas Bekleidungsberatung für Erfolgsautoren über mich
ergehen, sehe danach in meinem dunklen Jackett mit dem dunklen T-Shirt darunter
und dem Seidenschal um den Hals ziemlich genau aus wie einer dieser Dichter aus
dem BUABUA.
     
    In der Maske versuche ich zu testen, wie berühmt ich
unterdessen bin, laufe aber bei den Schminkkünstlerinnen voll auf.
     
    „Letzte Woche war dieser Florian Goldmeiser hier!“ erzählen
sie mir, statt eine gewisse Ehrfurcht vor meiner Autorenexistenz zu entwickeln.
„Der sieht gut aus! Ein schöner Mann! Und singen kann der …“
     
    Ich kann schreiben, denke ich, aber das kratzt euch nicht,
was, ihr Dumpfdrosseln? Ja, ich muss eingestehen, ich leide unter einer
Mischung aus Hybris und aufkeimenden Selbstzweifeln, als mich ein Strahlemann
in einem rosa Jackett und extraterrestrischer Brille zum Ort des Geschehens
führt.
     
    „Wer ist denn noch so dabei?“ frage ich ihn in möglichst
desinteressiertem Ton.
     
    „Soweit ich weiß, eine Fitnesstrainerin mit einem
revolutionären Schlankheitsprogramm und eine sozial engagierte
Sozialpädagogin.“
     
    Keine Konkurrenz also, denke ich.
     
    Die Flügeltür zum Studio mit der roten Lampe darüber
schwingt auf. Es ist so ähnlich wie damals in der ersten Klasse mit der
Schultüte – es passiert, und ich bemerke vor lauter Staunen kaum, was mit mir geschieht,
so maßlos beeindruckt bin ich. Zunächst jedenfalls.
     
    „Ich freue mich heute besonders, einen jungen Autor
vorstellen zu dürfen, der mit seinem ersten Titel ‚Klytämnestras Rache’ die
Fachwelt in Erstaunen versetzt hat, und das, obwohl sein Buch noch gar nicht
erschienen ist!“ moderiert mich Maybritt von Sinnen an. „Begrüßen Sie ….“
     
    Blackout. Wie erstarrt glotze ich in die Kamera, was mir
später als kulturvolle Gelassenheit oder überlegene Ignoranz gedeutet werden wird.
Erst ein ziemlich rabiater Stoß in die Seite von dem rosa Brillenmonster weckt
mich auf. Irgendetwas tut sich in meinem Hirn, ungeheure Schaltprozesse
verbinden nie genutzte Neuronen mit anderen, vermutlich für lange Zeit von
diversen Drogen eingeschläferten. Mein Professionalitätszentrum, unter
Wissenschaftlern bekannt unter dem Namen cortex biolecki , ist
angesprungen, steuert nun alle meine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher