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Wie ich Schriftsteller wurde

Wie ich Schriftsteller wurde

Titel: Wie ich Schriftsteller wurde
Autoren: Norbert Golluch
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nicht allen Ernstes, dass du damit an die
Öffentlichkeit gehen kannst?“
     
    Meine Zweifel verstärkten sich, das Podest meines inneren
Dichters beginnt zu wanken, ist in den Fundamenten erschüttert. Sollte ich mich
so in mir und meinen Möglichkeiten getäuscht haben?
     
    Ein Anruf der Black Forest Edition stabilisiert mich wieder.
Mein Lektor, ein gewisser Gerd O. Weiher, fragt nach, wann er denn mit dem fertigen
Manuskript rechnen könne, der Drucktermin stehe schon fest, und schließlich
brauche er ja noch einige Zeit für eine gründliche Bearbeitung.
     
    Ich stelle lakonisch fest, dass es nichts an meinem Text zu
bearbeiten gebe, dass ich über jedes geänderte Komma umfassend informiert
werden möchte und kündige das Manuskript zum Ende der nächsten Woche an.
     
    Das ist etwas optimistisch, denn bisher habe ich 66 Seiten
Text – immerhin. Angesichts der drängenden Notwendigkeit der Sache, eile ich an
meinen Schreibtisch und beginne mit der Arbeit. Zum Glück sprudelt meine innere
Quelle trotz aller Anfechtungen durch Zweifler:
     
    Damon blickte über das Tal, seine Augen sahen mehr als
nur die Besitztümer seiner Familie, sie schauten in die Zukunft. Rosalie an
seiner Seite blickte zu ihm auf, ihre alabastergleichen Schultern bebten …
     
    Die Wucht meiner Sprache trägt mich in einen erneuten Rauschzustand.
Ja, das ist Dichtung, das ist der flow , den ich immer gesucht habe.
Endorphine durchströmen meinen Körper, ich hebe ab, nähere mich bisher
unbekannten Sphären, bin nicht mehr von dieser Welt.
     
    Ihre Blicke trafen sich. „Damon“, hauchte Rosalie, „wir
werden dieses Land bestellen, unseren eigenen Wein trinken. Wir werden diese
unvergleichliche Sonne über der Erde unserer Väter an vielen Abenden untergehen
sehen, unsere Kinder großziehen und einer neuen Zeit den Weg bereiten …“
     
    Leider ist dies aber auch der Augenblick, in dem sich ein
neues Zentrum in meinem Gehirn einschaltet, eine Kontrollinstanz, die bisher
offensichtlich geschlafen hatte. Eine Stimme sagte laut und vernehmlich:
     
    „Kitsch, Alter! Das ist ekelhafter, klebriger, widerwärtiger
und völlig überflüssiger Kitsch! Du schreibst jetzt gerade genau die überflüssigen
Hormongesänge, von denen Benno gesprochen hat.“
     
     Ich habe durch meine ungezügelten romantischen Sprachorgien
mein Kitschkontrollzentrum, den nucleus pilcheri aktiviert. Bisher habe
ich überhaupt nicht gewusst, dass so etwas existiert. Die weitere Arbeit wird nicht
einfach werden.
     
    Erst jetzt bemerke ich, dass Paula mir über die Schulter
geschaut hat. Sie sieht mich sanft an, hat Tränen in den Augen. Alles an ihr fließt
über, sie ist der personifizierte weibliche Gefühlsbrunnen …
     
    „Das ist so unglaublich schön …“, flüstert sie nur und küsst
mich. Da weiß ich, dass ich durch das Schreiben reich und berühmt werden könnte,
wahrscheinlich aber nicht sehr glücklich werden würde.
     

Die Lesung
    Der „Bund Freier Schriftsteller – kreatives Schreiben“ hatte
weder Kosten noch Mühen gescheut, um für die Lesung einen geeigneten Rahmen zu
finden, zumal sich auch die Schwestervereinigung BUABUA, der „Bund Unabhängiger
Autoren – Buch und Aussage“ finanziell, mit Prosecco und einigen Nudelsalaten
für das Buffet nachher beteiligt. Tatsächlich, ich bekomme sogar ein Honorar
für meine Lesung, und das ist nicht einmal gering.
     
    Die Veranstaltung findet in der Rotunde der Villa Hortensia in
Fachingen statt, das Holzbläsersextett „Winds unleashed“ sorgte für einen
geeigneten musikalischen Rahmen. Das kommt mir sehr entgegen, denn ich habe am
Abend zuvor Bohnensalat gegessen und bin anfangs in Gefahr, meine eigene
Darbietung durch unkontrollierte Äußerungen meines vegetativen Unbewussten zu
desavouieren.
     
    Donnernder Applaus brandete mir entgegen, als sich das
Podium betrete, kurz darauf abgelöst von erwartungsvoller Stille. Ich ordne die
wenigen Seiten meines Manuskriptes und beginne:
     
    „Meine lieben Zuhörer, wie Sie ja wissen, wird mein neuer
Roman in Kürze erscheinen, doch möchte ich Sie heute mit einem Aspekt meines
Werkes bekannt machen, der bisher nur einigen wenigen Personen in meinem
Freundeskreis …“
     
    Eigentlich kennt nur Benno den Text.
     
    „… zu Gehör gekommen ist. Das Werk trägt den Titel … ähem …“
     
    Ja, welchen eigentlich? muss ich mich fragen. Ein guter
Titel ist so wichtig wie das Etikett auf der Weinflasche, wenn es das falsche
ist, kann der
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