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Wie ich Schriftsteller wurde

Wie ich Schriftsteller wurde

Titel: Wie ich Schriftsteller wurde
Autoren: Norbert Golluch
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seine Karriere unauflöslich mit meinem
Talent verbunden war. Er drängte auf Manuskriptabgabe.
     
    Zunächst erwies sich als problematisch, einen geeigneten
Titel für mein Buch zu finden. Doch motiviert von dem schönen Erfolg meiner
Lesung, entschloss ich mich, das ganze Buch „Klytämnestras Rache“ zu nennen.
Das vieldeutig interpretierbare Gedicht gleichen Titels würde sich gut auf dem
Frontispiz der bibliophilen Ausgabe machen, auch wenn es relativ schwierig war,
noch eine weitere Person einzuführen. Damon und Rosalies Verwandtschaft war
ohnehin schon ausufernd groß ausgefallen, aber ich fand noch eine literarische
Lücke im Kreise der Großtanten.
     
    Dieser Schachzug bereicherte mein Buch um eine ausgesprochen
attraktive Handlungsebene, denn Tante Isabella Linton, meine Klytämnestra, hatte
ein vermutlich strafbares Verhältnis mit Archibald O’Hara, dem Schwippschwager
ihres Großonkels, welches ihren Ehemann Heathcliff in eine schwere
Vertrauenskrise und ihn selbst später in die Themse stürzen ließ. Ich überlegte
noch kurz, ob es meiner Geschichte noch eine weitere literarische Ebene
verleihen würde, wenn ich Heathcliff Lintons ein Verhältnis zu seiner schönen
Cousine Vivien, sozusagen zu seiner Kassandra, erlauben würde, doch befürchtete
ich, dass mir die Handlung dann aus dem Ruder laufen könnte, weil meine
Klytämnestra vor lauter Eifersucht, Rachsucht und Wut irgendjemand ermordet
hätte, ganz wie ihr literarisches Vorbild. Außerdem hätte ich vermutlich den
Überblick über mein Personal verloren. Ich hatte da ohnehin schon meine
Schwierigkeiten.
     
    Paula, die meinen Arbeitsprozess der letzten Woche lesend
begleitet hatte, schien damit keine Probleme zu haben. Als ich sie darauf
ansprach, half sie mir in mehreren Fällen dabei, verwandtschaftliche
Verhältnisse zu korrigieren, genealogische Knoten zu lösen und die jeweiligen
Personen an der richtigen Stelle im Familienstammbaum einzuordnen. Auch konnte
ich dank ihrer Aufmerksamkeit einige Akteure aus dem Manuskript entfernen, die
sich von irgendwoher eingeschlichen hatten, so ein gewisser Simon, mir völlig
unbekannt, der aber immer wieder irgendwo in der Handlung aufgetaucht war und
den ich schon von Anfang an in Verdacht hatte, dass er den Inhalt meines Romans
für die Konkurrenz ausspionieren wollte.
     
    Nicht nur Paula war ganz von meinem Schaffen eingenommen. Benno
hatte bei der Lesung für einige Minuten meine Manuskriptblätter gehalten, mir
Wasser nachgegossen und Kopien meiner Gedichte an die Presse verteilt, somit
als mein Adlatus eine gute Figur gemacht und galt nun in den literarischen
Kreisen des BFSKS und des BUABUA, aber bald auch bei ZEIT-Lesern als Experte
für meine Person. Ich bekam im Arbeitsrausch, in dem ich mich befand, nur am
Rande mit, dass er eine Dozentenstelle an der Universität Darmstadt, Institut
für Linguistik, angeboten bekam, die er sehr gerne annahm. Dass sein erstes
Seminar den Titel „Kandinsky als Meister der Kurzgeschichte“ getragen haben
soll, halte ich für ein böswilliges Gerücht.
     
    Auch wenn sich in meinem Kopf immer weitere Verzweigungen
meiner Kunstwelt entwickelten, so kam ich nicht mehr dazu, meinen Text weiter
auszubauen. Meine leichtfertige Zusage zu einer frühen Manuskriptabgabe hatte
meinen Lektor Gerd O. Weiher dazu veranlasst, mich zu Hause aufzusuchen und das
fertige Werk einzufordern. Mit einer Daten-DVD verließ er triumphierenden
Blickes das Haus, ich hörte ihn noch jubelnd in sein Handy rufen:
     
    „Ja, ich hab es endlich! Startauflage 250.000, und buchen
Sie Termine, falls wir nach der Buchmesse schnell nachdrucken müssen!“
     

Dummy
    Kaum ist er aus dem Tür, klingelt das Telefon schon wieder.
Es ist eine Fernsehproduktionsfirma namens „Bewegtbild GmbH“, zuständig für die
Late-Night-Talkshow „Honey’s Nighthawks“  im stillgelegten Naturgummilager der
ehemaligen DDR-Kondomfabrik in Finsterwalde. Beeindruckende Räumlichkeiten.
Talkmasterin Maybritt von Sinnen würde sich freuen, mich als Gast begrüßen zu
dürfen. Ich hätte auch Gelegenheit, mein neues Buch vorzustellen. Mein Körper
schaltet irgendwie in den Alarmzustand um, aber mein Verstand ist komplett
besoffen. Ich sage zu.
     
    Benno hat natürlich wieder nur schmutzige
Kommentare auf Lager, komplett an der Sache vorbei.
     
    „Was ist schlimmer als ein Elefant im
Porzellanladen?“
     
    „Keine Ahnung“, muss ich zugeben, meine
Gedanken sind woanders. Woher bekomme ich ein Buch,
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