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Wie ich Schriftsteller wurde

Wie ich Schriftsteller wurde

Titel: Wie ich Schriftsteller wurde
Autoren: Norbert Golluch
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das ich in der Talkshow
hochhalten kann? Vielleicht hat Paula eine Idee, kreativ, wie sie ist … Werde
sie nachher mal fragen, wenn sie kommt.
     
    „Ein Igel in der
Kondomfabrik
. “
     
    Niemand lacht, Benno ist sauer.
     
    „Kannst du nachher mit ins K12? Oder musst du noch dichten?“
     
    Nachher? Es ist Freitagabend, und ich fühle mich beunruhigt,
ein Bier und ein Tequila auf neutralem Grund täten mir jetzt gut. Ich greife
mir meine Jacke, das K12 ist um die Ecke. Wurde vor ein paar Tagen geöffnet.
Ich nehme an, dass die Ausstrahlung kreativer Menschen im Viertel sich auch günstig
auf die Gastronomie auswirkt.
     
    Wache am nächsten Morgen wieder als Halbzombie auf, erinnere
mich nur noch daran, dass ich mich mit Heiner aus dem Bioladen gestritten habe,
worüber, weiß ich nicht mehr. Mein Schädel sagt mir aber, dass ich mir weitaus
zu viele Argumentationshilfen hinter die Binde gegossen habe. Entdecke halb
versteckt unter dem Sofa eine handliche Flasche Jägermeister, eine
Hinterlassenschaft von Benno, der gern Vorräte anlegt. Kippe sie mir in einem
Zug hinter die Binde.
     
    Besser.
     
    Die Flasche fliegt im hohen Bogen – na, wohin schon – ins
Aquarium. Schöne Fontäne. Dieser voll verglaste, seit dem Tod meines letzten
Piranhas Carlos Peixe nahezu unbewohnte, aber gut gefilterte Ort unter Wasser
bietet nur noch zwei Apfelschnecken Lebensraum, Angela und Charlotte,
zugewandert aus heißen tropischen Gewässern.
     
    Sie finden es ungewöhnlich, dass Apfelschnecken Namen
tragen? Benno und ich haben lange überlegt, wie sie heißen sollten, haben sie
Stunde um Stunde beobachtet und aus ihrem Verhalten auf ihren Namen
geschlossen. Angela heißt Angela, weil sie unendlich langsam durchs Becken
kroch, keinerlei Engagement zeigte, keinen Zentimeter vorankam, so dass man den
Eindruck hatte, die ganze Welt stehe still, und zu diesen
Persönlichkeitsmerkmalen passt einfach nur der Name Angela. Charlotte hingegen
schaffte es auf ihrer eigenen, ausgeprägten Schleimspur geradezu raketenhaft
nach oben – für eine Schnecke – und deshalb nannte Benno sie Charlotte.
     
    Nun sind sie beide tot. Offenbar war die
Jägermeister-Flasche doch nicht ganz leer. RIP, schleimige Schwestern. Dabei
hatte Benno mit ihnen noch so viel vor.
     
    „Seit Apfelschnecken per EU-Verordnung zu illegalen Tieren
erklärt worden sind und nicht mehr eingeführt werden dürfen“, erklärte er mir
sein Geschäftsmodell, „bietet sich illegaler Schneckenhandel förmlich an.“
     
    „Warum sind sie denn verboten?“ fragte ich nach.
     
    „Unter anderem übertragen Sie die eosinophile
Meningoencephalitis!“ weiß Benno wie aus der Pistole geschossen. Er hatte sich
offenbar gut informiert.
     
    „Ah so …“ entgegnete ich, nichts verstehend. „Müssen wir da
… irgendwelche Schutzmaßnahmen ergreifen?“
     
    „Unsere sind clean! Wir züchten also in deinem Aquarium
Unmengen von Apfelschnecken, verkaufen sie unter der Hand an alle Zoogeschäfte
Deutschlands, so für drei oder vier Euro das Stück, und müssen nie wieder
arbeiten!“
     
    Ein schöner Traum. Plötzlich schwimmen sie mit dem
Schleimfuß nach oben an der Wasseroberfläche, noch sachte zuckend. Betroffen
neige ich mein Haupt und sehe, dass Benno heute glücklicherweise schwarze
Socken anhat.
     
    Jetzt fällt mir auch wieder ein, worüber ich mich mit Heiner
gestritten habe. Thema: Sollte man für Bücher Bäume umhacken? Heiner meinte
nein, Bäume sind unsere Brüder, und für den Mist, den ich schreibe, einen
Bruder umzubringen, sei schon ein Verbrechen. Ich habe ihn neulich abends im
Stadtpark getroffen, wo er Bäume umarmte, und zwar mit ziemlicher emotionaler
Energie. Benno meinte, dass da wohl irgendwo in Hüfthöhe ein Astloch sein
müsse. Ich weigerte mich allerdings, mir diese Zusammenhänge weiter zu
visualisieren.
     
    Der Jägermeister zieht gut durch, ich sehe jetzt klar. Klar,
dass ich auf dem Weg zum Alkoholiker bin, wenn ich so weitermache. Aber sagte
nicht schon Hemingway: Besoffen schreiben, nüchtern redigieren? Irgendein
Gedanke im Hinterkopf quält mich, es war irgendetwas im Zusammenhang mit der
Talkshow heute Abend.
     
    Das Buch! Wie soll ich ein Buch hochhalten, wenn ich keines
dabeihabe, weil es noch keines gibt? Ich beschließe Paula zu wecken, die wohl
im Gästezimmer schlafen wird. Erinnere mich, dass sie gestern im K12 diese
hinterhältigen Cocktails von Shaker, dem Barmann aus Jamaika, angetestet hat,
über deren Wirkung
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