Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
1
    Zwiegespräch mit Unterbrechungen
    Der Hund witterte sie zuerst. Da es so dunkel war, spürte Ian Murray nur, wie Rollo neben seinem Oberschenkel plötzlich den Kopf hob und die Ohren spitzte. Er legte dem Hund die Hand auf den Hals und fühlte seine warnend gesträubten Haare.
    Sie waren so gut aufeinander eingespielt, dass er gar nicht bewusst »Menschen« dachte, sondern gleich die andere Hand an sein Messer legte und reglos dalag. Atmete. Lauschte.
    Im Wald war kein Laut zu hören. Bis zur Dämmerung waren es noch Stunden, und die Luft war so still wie in einer Kirche, während Nebel wie Weihrauch langsam vom Boden aufstieg. Er hatte sich zum Ausruhen auf den umgestürzten Stamm eines riesigen Tulpenbaums gelegt, denn er wurde lieber von Waldläusen gekitzelt als von Feuchtigkeit durchdrungen. Er ließ die Hand auf dem Hund liegen und wartete.
    Rollo knurrte, ein leises, unablässiges Grollen, das Ian kaum hören, aber gut spüren konnte, weil sein Arm die Vibrationen weiterleitete und jeden Nerv seines Körpers in Alarmbereitschaft versetzte. Er hatte nicht geschlafen – er schlief kaum noch des Nachts -, doch er hatte geruht, zum Himmel aufgesehen und war in seine übliche Diskussion mit Gott vertieft gewesen. Die Ruhe war mit Rollos Bewegung dahin. Ian setzte sich behutsam auf und schwang die Beine seitlich über den halb verwesten Baumstamm. Sein Herz schlug jetzt schnell.
    Rollos Ausdruck blieb unverändert warnend, doch sein großer Kopf wanderte jetzt und folgte etwas Unsichtbarem. Es war eine mondlose Nacht; Ian konnte die schwachen Umrisse der Bäume und die beweglichen Schatten der Nacht sehen, sonst aber nichts.
    Dann hörte er sie. Etwas Lebendiges zog vorüber. Ein gutes Stück entfernt, aber es kam mit jeder Sekunde näher. Er stand auf und trat leise in die Schwärze am Fuß einer Kastanie. Ein Schnalzen mit der Zunge, und Rollo stellte das Knurren ein und folgte ihm, lautlos wie der Wolf, der sein Vater gewesen war.
    Ians Ruheplatz überblickte einen Wildwechsel. Die Männer, die dem Pfad folgten, waren nicht auf der Jagd.

    Weiße . Das war allerdings seltsam, sehr seltsam. Er konnte sie nicht sehen, doch das brauchte er nicht; der Lärm, den sie machten, ließ keine Verwechslung zu. Auch Indianer bewegten sich nicht unbedingt lautlos, und viele der Highlander, unter denen er gelebt hatte, konnten sich wie Geister im Wald bewegen – doch er hatte nicht den geringsten Zweifel. Metall, das war es. Er hörte Zaumzeug klingeln, Knöpfe und Schnallen klirren – und Gewehrläufe.
    Eine ganze Menge. Sie waren jetzt so nah, dass er sie zu riechen begann. Er beugte sich ein wenig vor und schloss die Augen, um so viele Anhaltspunkte zu erschnüffeln, wie er konnte.
    Sie transportierten Pelze; jetzt fing er den Geruch von getrocknetem Blut und kaltem Fell auf, der Rollo wahrscheinlich geweckt hatte… Aber keine Fallensteller, bestimmt nicht. Fallensteller reisten einzeln oder zu zweit.
    Arme Männer, und schmutzig dazu. Keine Fallensteller und keine Jäger. Um diese Jahreszeit war Wild leicht zu finden; fast bei jedem Schritt sprang ein Kaninchen vom Boden auf, und in den Flüssen wimmelte es von Fischen – doch diese Männer rochen nach Hunger. Und dem Schweiß der Trunksucht.
    Dicht bei ihm jetzt, vielleicht drei Meter von der Stelle entfernt, an der er stand. Rollo prustete leise, und Ian krallte ihm erneut die Hand in den Nacken, doch die Männer machten zu viel Lärm, um es zu hören. Er zählte die vorüberziehenden Schritte, die rumpelnden Wasserflaschen und Patronendosen, die Grunzlaute der Fußlahmen und die Seufzer der Erschöpften.
    Er kam auf dreiundzwanzig Männer, und sie hatten ein Maultier – nein, zwei Maultiere dabei; er konnte das Ächzen voll bepackter Satteltaschen und das nörgelnde, schwere Atmen hören, das typisch für ein beladenes Maultier war, stets am Rand des Jammerns.
    Die Männer hätten sie niemals entdeckt, aber ein verirrter Luftzug trug Rollos Geruch zu den Maultieren hinüber. Ohrenbetäubendes Quieken erschütterte die Dunkelheit, und vor ihm explodierte der Wald in einem Durcheinander aus rumpelnden Geräuschen und Schreckensrufen. Ian rannte schon, als hinter ihm Pistolenschüsse krachten.
    »A Dhia!« Etwas traf ihn am Kopf, und er fiel der Länge nach hin. War er tot?
    Nein. Rollo schob ihm besorgt seine feuchte Nase ins Ohr. Sein Kopf summte wie ein Bienenstock, und Ian sah gleißende Lichtblitze vor seinen Augen.
    »Ruith« , keuchte er und schubste den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher