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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche
Autoren: Diana Gabaldon
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namenlosen Leichen war tatsächlich die eines Schwarzen. Die andere war weiß, und beide trugen eine schlichte, abgetragene Kluft aus handgesponnenem Leinen – Hemden und Kniehosen, keine Röcke trotz des kalten Wetters. Und beide waren barfuß.
    »Nein.« Jamie schüttelte den Kopf und rieb sich unbewusst über seine eigene Kniehose, als wollte er sich von der Berührung der Toten reinigen. »Die Holländer auf Barbuda halten Sklaven, aye – aber diese Männer hier sind besser genährt als die Bewohner der Hütte.« Er nickte in Richtung der stummen Reihe Frauen und Kinder. »Sie haben nicht hier gelebt. Außerdem…« Ich sah, wie sich sein Blick auf die Füße der Toten heftete.
    Die Füße waren schmutzig an den Knöcheln und von dicken Schwielen überzogen, aber mehr oder weniger sauber. Die Fußsohlen des Schwarzen hatten eine rosa-gelbliche Farbe ohne jede Spur von Schmutz oder zwischen
den Zehen klemmenden Blättern. Diese Männer waren nicht barfuß im Wald unterwegs gewesen, das stand fest.
    »Also sind möglicherweise noch mehr Männer hier gewesen? Und als die beiden hier gestorben sind, haben ihre Begleiter ihnen die Schuhe abgenommen – und alle anderen wertvollen Gegenstände«, fügte Fergus praktisch denkend hinzu und wies von der abgebrannten Hütte auf die halb entkleideten Leichen, »und sind geflohen.«
    »Aye, möglich.« Jamie spitzte die Lippen und ließ den Blick langsam über den Boden des Hofes wandern – doch die Erde war von Fußtritten umgepflügt, ganze Grasbüschel waren entwurzelt, und der Hof war mit Asche und verkohlten Holzstückchen übersät. Es sah aus, als sei die Lichtung von einer Herde wild gewordener Flusspferde heimgesucht worden.
    »Ich wünschte, Ian wäre hier. Er ist unser bester Spurenleser; er könnte vielleicht wenigstens erkennen, was hier geschehen ist.« Er deutete in den Wald, wo die Männer gefunden worden waren. »Wie viele es waren und in welche Richtung sie verschwunden sind.«
    Jamie war selbst kein übler Spurenleser. Aber das Licht ließ jetzt rapide nach; auch auf der Lichtung, auf der die abgebrannte Hütte stand, erhob sich die Dunkelheit, sammelte sich unter den Bäumen und kroch wie Öl über die aufgerissene Erde.
    Sein Blick glitt prüfend zum Horizont, wo die Wolkenstreifen rosa und golden zu glühen begannen, während die Sonne hinter ihnen versank, und er schüttelte den Kopf.
    »Begrabt sie. Dann gehen wir.«
    Eine grauenvolle Entdeckung stand uns noch bevor. Der verbrannte Mann war als einziger der Toten nicht durch Gift oder Feuer umgekommen. Als sie seine verkohlte Leiche aus der Asche hoben, um sie zu ihrem Grab zu tragen, löste sich etwas von seinem Körper und landete mit einem leisen Plumps schwer auf dem Boden. Brianna hob es auf und rieb mit der Ecke ihrer Schürze darüber.
    »Ich nehme an, das hier haben sie übersehen«, sagte sie ein wenig trostlos und hielt es uns hin. Es war ein Messer oder zumindest eine Messerklinge. Der hölzerne Schaft war vollständig verbrannt, und die Klinge selbst war von der Hitze verbogen.
    Ich machte mich auf den durchdringenden Gestank verbrannten Fettes und Fleisches gefasst, beugte mich über die Leiche und betastete vorsichtig ihren Bauch. Feuer zerstört vieles, konserviert aber gleichzeitig die seltsamsten Dinge. Die dreieckige Wunde war ganz deutlich zu sehen, eingesengt in die Höhlung unter seinen Rippen.
    »Sie haben ihn erstochen«, sagte ich und wischte mir ebenfalls die verschwitzten Hände an meiner Schürze ab.
    »Sie haben ihn umgebracht«, sagte Brianna, die mein Gesicht beobachtete. »Und seine Frau -« Sie blickte zu der jungen Frau auf dem Boden, deren
Kopf unter ihrer Schürze verborgen war. »Sie hat Pilzeintopf gekocht, und sie haben ihn alle gegessen. Auch die Kinder.«
    Auf der Lichtung war es still, abgesehen von den entfernten Rufen der Vögel auf dem Berg. Ich konnte mein eigenes Herz schmerzhaft in meiner Brust schlagen hören. Rache? Oder simple Verzweiflung?
    »Aye, vielleicht«, sagte Jamie leise. Er bückte sich, um die Kante des Leinentuchs zu ergreifen, auf das sie den Toten gelegt hatten. »Nennen wir es einen Unfall.«
    Der Holländer wurde zusammen mit seiner Familie in ein Grab gelegt, die beiden Fremden in ein anderes.
    Ein kalter Wind hatte sich erhoben, als die Sonne unterging; die Schürze flatterte aus dem Gesicht der Frau, als sie sie aufhoben. Sinclair stieß einen erstickten Schreckensschrei aus und hätte sie beinahe fallen gelassen.
    Sie hatte kein
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