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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche
Autoren: Diana Gabaldon
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unterhielten.
    »Weißt du, was sie erwischt hat, Sassenach?« Jamie hockte sich mit sorgenvollem Gesicht neben mich. »Zumindest die Toten unter den Bäumen.« Er wies kopfnickend auf die Leiche vor mir. »Was die arme Frau hier umgebracht hat, weiß ich selbst.«

    Der lange Rock der Frau regte sich im Wind und gab ihre langen, schlanken Füße preis, die in Lederpantoletten steckten. Ebenso schlanke Hände lagen reglos an ihren Seiten. Sie war hoch gewachsen gewesen – wenn auch nicht so groß wie Brianna, dachte ich und sah mich automatisch nach dem leuchtenden Haar meiner Tochter um, das sich am anderen Ende der Lichtung zwischen dem Geäst bewegte.
    Ich hatte die Schürze der Frau hochgeschlagen, um ihren Kopf und ihren Oberkörper zu bedecken. Ihre Hände waren rot, die Fingerknöchel von der Arbeit rau, die Handflächen voller Schwielen, doch aus ihren festen Oberschenkeln und ihrem schlanken Körperbau schloss ich, dass sie nicht älter als dreißig war – wahrscheinlich viel jünger. Niemand konnte sagen, ob sie hübsch gewesen war. Ich schüttelte den Kopf als Antwort auf seine Bemerkung.
    »Ich glaube nicht, dass sie durch das Feuer gestorben ist«, sagte ich. »Da, ihre Beine und Füße sind unversehrt. Sie muss in das Herdfeuer gefallen sein. Ihr Haar hat Feuer gefangen, das dann auf die Schultern ihres Kleides übergesprungen ist. Sie muss so dicht an der Wand oder am Kaminabzug gelegen haben, dass die Flammen übergesprungen sind, und dann ist das ganze, verfluchte Haus in Flammen aufgegangen.«
    Jamie nickte bedächtig, die Augen auf die Tote gerichtet.
    »Aye, das klingt plausibel. Aber was ist es gewesen, das sie umgebracht hat, Sassenach? Die anderen sind ein wenig angesengt, aber keiner von ihnen ist so verbrannt. Doch sie müssen schon tot gewesen sein, als das Haus Feuer gefangen hat, weil keiner von ihnen hinausgelaufen ist. Eine tödliche Krankheit womöglich?«
    »Das glaube ich nicht. Sie sehen nicht… Ich weiß es nicht. Lass mich noch einen Blick auf die anderen werfen.«
    Ich schritt langsam an der Reihe regloser Körper entlang, deren Gesichter mit Tüchern zugedeckt waren, und beugte mich einzeln darüber, um erneut unter die improvisierten Leichentücher zu spähen. Es gab unzählige Krankheiten, die in dieser Zeit rasch zum Tode führen konnten – da es keine Antibiotika gab und keine Möglichkeit der Flüssigkeitszufuhr außer durch Mund und Rektum, konnte ein simpler Durchfall einen Menschen innerhalb von vierundzwanzig Stunden umbringen.
    Ich bekam solche Dinge oft genug zu Gesicht, um sie zu erkennen, genau wie jeder andere Arzt, und ich war seit über zwanzig Jahren Ärztin. Dann und wann sah ich in diesem Jahrhundert Dinge, die mir in meinem eigenen nicht begegnet waren – vor allem grauenvolle Parasitenerkrankungen, die mit dem Sklavenhandel aus den Tropen kamen -, doch es war kein Parasit, der diese armen Seelen auf dem Gewissen hatte, und keine mir bekannte Krankheit hinterließ solche Spuren bei ihren Opfern.
    Sämtliche Leichen – die Frau mit den Verbrennungen, eine viel ältere Frau und drei Kinder – waren innerhalb der Wände des brennenden Hauses gefunden
worden. Kenny hatte sie gerade rechtzeitig ins Freie gezogen, bevor das Dach einstürzte, und war dann losgeritten, um Hilfe zu holen. Alle tot, bevor das Feuer ausbrach; daher mussten sie auch buchstäblich alle gleichzeitig gestorben sein, denn das Feuer hatte doch gewiss schnell zu schwelen begonnen, nachdem die Frau tot auf ihren Herd gefallen war?
    Die Opfer lagen ordentlich unter den Zweigen einer riesigen Rotfichte aufgereiht, während die Männer daneben ein Grab auszuheben begannen. Brianna stand mit gesenktem Kopf neben dem kleinsten Mädchen. Ich kniete mich neben die winzige Leiche, und sie kniete sich mir gegenüber hin.
    »Was ist es gewesen?«, fragte sie leise. »Gift?«
    Ich sah überrascht zu ihr auf.
    »Ich glaube schon. Wie bist du darauf gekommen?«
    Sie warf einen Blick auf das blau angelaufene Gesicht unter uns. Sie hatte versucht, dem Mädchen die Augen zu schließen, doch sie quollen unter den Lidern hervor und verliehen dem Kind einen Ausdruck verblüfften Grauens. Ihre kleinen, groben Gesichtszüge waren, vor Qual verzerrt, erstarrt, und sie hatte Spuren von Erbrochenem in den Mundwinkeln.
    »Pfadfinderhandbuch«, sagte Brianna. Sie sah sich nach den Männern um, doch keiner von ihnen war nah genug, um uns zu hören. Ihr Mund zuckte, und sie wandte den Blick von der Leiche ab und
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