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Wie Feuer im Regen

Wie Feuer im Regen

Titel: Wie Feuer im Regen
Autoren: Sophie Oliver
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befand sich ein so dicker Teppich, dass man das Gefühl hatte, die Füße würden einsinken wie bei einem Strandspaziergang. Aufgrund der mangelnden Beleuchtung konnte Anne die Farbe nicht eindeutig bestimmen. Sie vermutete aber, dass es sich um einen Grünton handelte, denn auch die Vorhänge schimmerten in blassem Grün.
    Es schien ihr unhöflich, sich weiter im Raum umzusehen, deshalb wandte sie ihre Aufmerksamkeit dem riesigen Bett und der darin liegenden reglosen Gestalt zu.
    Diverse medizinische Gerätschaften standen auf der einen, ein Nachtkästchen mit Medikamenten, Einmalspritzen und Desinfektionsmitteln und ein Besuchersessel auf der anderen Seite.
    Von einem Gestell hing ein schlaffer Infusionsbeutel, der über einen durchsichtigen Plastikschlauch mit der Armbeuge des Kranken verbunden war.
    Was früher wohl einmal ein stattlicher Körper gewesen sein mochte, war nunmehr nur noch abgemagertes, faltiges Fleisch von unnatürlich grauer Farbe. Anscheinend schlief der Patient.
    „ Wieso ist er so dünn?“ fragte Jamie flüsternd. In seiner Stimme lag eher beiläufiges Interesse als Betroffenheit. Seine Hände ruhten auf dem hölzernen Fußende des antiken Bettes.
    „ Er kann alleine nicht mehr essen und hat bereits vor Jahren schriftlich veranlasst, dass man ihn nicht zwangsernähren oder sein Leben sonst irgendwie künstlich verlängern soll. Ziemlich untypisch für ihn, ich weiß.“ Jane schlang ihre Kaschmirjacke fester um sich, als ob sie fröstelte und wies mit dem Kopf auf die Infusion, „Deshalb wird er nur mit Flüssigkeit und Schmerzmitteln versorgt.“
    „ Bis er verhungert ist?“
    Als Antwort legte sie einen Arm um ihren Sohn und drückte ihn leicht.
    Anne stand währenddessen wie versteinert da und starrte schockiert auf den Mann im Bett. Obwohl sein Gesicht eingefallen und teilweise von einer Sauerstoffmaske bedeckt war, hatte sie ihn sofort erkannt.
    Nichts war mehr übrig, von seiner fetten Selbstgefälligkeit. Vor ihr lag die schrumpelige Hülle, mehr tot als lebendig, von Poffy, dem Earl von Breckon.
    Von allen Menschen auf der Welt musste ausgerechnet er der Vater des Mannes sein, den sie liebte?
    Wie groß war die Wahrscheinlichkeit?
    In ihren Ohren hörte sie ihr Blut rauschen, laut wie die Wellen einer Brandung. Hitze und Übelkeit stiegen in ihr auf und sie musste sich am Fußende des Bettes festhalten. Aber im Gegensatz zu Jamies locker daliegenden Händen, krallte sie sich so fest ein, dass die Knöchel ihrer Finger weiß hervortraten.
    Wie aus weiter Ferne hörte sie Janes Stimme, „Ist dir nicht gut Liebes? Möchtest du dich setzen?“ Sie wies auf den Stuhl neben dem Bett.
    Trotz des üblen Geruchs im Zimmer sog Anne die Luft tief ein und spielte im Kopf die ersten Klänge von Smetanas Moldau. Die plätschernde Abfolge der Töne erinnerte sie an frisches Wasser, Sonne und saftige Wiesen und schon nach ein paar Sekunden hatte sie es geschafft, die Kontrolle über sich zurückzuerlangen.
    „ Nein danke“, sagte sie, „mir geht es gut. Aber ein Glas Wasser wäre toll.“
    Jane Harkdale sah auf ihren Sohn, „James, wärst du bitte so nett? Und sag auch Hopkins in der Küche Bescheid, dass wir den Tee in der kleinen Bibliothek nehmen, ja?“
    Erleichtert, sich nicht länger in der Gegenwart seines Vaters aufhalten zu müssen, verließ Jamie das Zimmer gerade in jenem Moment, in dem Poffy flackernd die Lider öffnete.
    „ Wie schön, dass du wach bist, mein Liebling!“ in Janes Stimme lag ein Unterton, den Anne nicht deuten konnte.
    „ Sieh mal, wer hier ist! Ich möchte dir gerne James´ Verlobte vorstellen. Ihr Name ist Anne Catherine Marsden. Die beiden werden bald heiraten.“
    Mit Entsetzen beobachtete Anne, wie Poffy mit einiger Mühe es tatsächlich schaffte, sie zu fokussieren. Der Moment, in dem er sie erkannte, in dem sich seine Augen zuerst überrascht weiteten und dann hasserfüllt zu kleinen Schlitzen verengten, würde ihr immer im Gedächtnis bleiben.
    „Nein!“, war seine krächzende Stimme hinter der Sauerstoffmaske zu hören. Leise, aber deutlich.
    „ Na, na, mein Schatz, was hast du denn?“ Jane hatte jede Regung im Gesicht ihres Mannes beobachtet und trat nun an seine Seite, als er versuchte, sich die Maske wegzuziehen.
    In diesem Moment läutete das Telefon in ihrer Tasche, sie warf einen Blick auf das Display und meinte zu Anne, „Es tut mir wirklich leid, aber dies ist ein wichtiger Anruf, auf den ich schon den ganzen Tag warte. Würdest du bitte
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