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Wie die Madonna auf den Mond kam

Wie die Madonna auf den Mond kam

Titel: Wie die Madonna auf den Mond kam
Autoren: Rolf Bauerdick
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Mensch musste klug sein. Und mutig. Denn er musste Stephanescu so nahe kommen, dass der Dämon sich gezwungen sah, sein Gesicht zu zeigen. Das konnte unmöglich ich selbst sein. Vergesst nicht, ich bin nur ein Schwarzer. Mich schauen Leute wie der Doktor nur mit dem Arsch an. Nur bei einem Weißen, bei seinesgleichen, würde sich Stephanescu sicher fühlen und in die Falle einer trügerischen Nähe hineintreiben lassen. Dieser Gadscho warst du, Pavel. Du warst anders als alle Gadsche, die ich kannte. Du wusstest, was es heißt, die Welt auf den Kopf zu stellen. Du und meine Nichte Buba. Ihr wart jung und lerntet gerade die Liebe kennen. Ich war schon bei meiner Geburt alt. Aber jetzt, da meine Musik zu Ende geht, frage ich mich, ob es nicht besser gewesen wäre, ihr hättet Angelas Tagebuch niemals entdeckt. Ich weiß es nicht.«
    Buba fasste seine Hand. »Aber ich weiß es«, sagte sie. »Deine Musik war wunderbar. Ohne dein Lied hätte ich vergessen, dass ich vergessen hatte. Ohne dich, Dimi, hätten Pavel und ich uns niemals verlieren, aber auch niemals finden können.«
    »Pavel! Stimmt das wirklich?«
    »Vollkommen absolut. Und weil es so ist, wird deine Nichte künftig Buba Botev heißen.«
    Dimitru richtete sich auf. Seine Augen schimmerten. Er sah ganz jung aus. »Das ist eine gute Nachricht. Aber das hätte euch wahrlich auch früher einfallen können. Ihr seid nicht mehr die Jüngsten. Pavel, du solltest dich allmählich um Nachkommenschaft kümmern. Die Zeit verrennt im Nu, und schwupp! bist du eine Luftpumpe.Aber keine Sorge. Der Abraham war hundert, als ihm seine Sarah den Isaak gebar. Und da war der Alte erst richtig auf den Geschmack gekommen und wurde noch ein mächtiger Stammvater. Auch du, Fritz, auch du solltest an deine Zukunft denken. Und nicht so in den Tag leben, mal hier, mal dort. Wie die Zigeuner.
    »Ich werd's versuchen«, lachte Fritz Hofmann. »Aber eines muss ich doch loswerden. Dimitru Carolea Gabor, du bist der schlauste Fuchs, der mir je begegnet ist.«
    »Oh, oh, oh, mein Junge. Auch dein gereiftes Alter schützt dich nicht vor Irrtümern. Du bist durchaus schon einem schlaueren Menschen als mir begegnet. Aber neunmalklug, wie du warst, hast du das natürlich nicht mitgekriegt. Oh ja, ich war immer ein Fuchs. Und weißt du, warum, Fritz? Weil ich einen Lehrer hatte, der noch schlauer war. Viel schlauer.«
    »Dein Vater?«
    »Nein, nein. Mein Vater Laszlo war gewiss ein Genius. Ohne ihn wäre ich nie in den Reliquienhandel eingestiegen. Aber an die Klugheit von Papa Baptiste reichte mein seliger Vater niemals heran. Papa war wirklich schlau. Ich wäre ihm nie auf die Schliche gekommen, wenn er mir nicht selber das Werkzeug dazu geliefert hätte. Das instrumentum intellect-ta-ti-libus, so ähnlich jedenfalls. Papa brachte mir nämlich die Sprache der Lateiner bei. Was sich im Übrigen bei meinen Milchgeschäften mit den Orthodoxen als unschätzbarer Vorteil erwies. Aber der Reihe nach. Da mir die Versuchung in Gestalt des Weibes in jungen Jahren permanente über den Weg lief, kniete ich regelmäßig bei Papa Baptiste im Beichtstuhl. Ich war des Lateinischen zu der Zeit noch nicht so mächtig, um zu verstehen, welche Formeln Papa Johannes alle vor sich hin murmelte, aber eines Karfreitags fiel mir auf, was er nicht sagte. Er sagte bei der Lossprechung nie: >Ego te absolvo.<
    Deshalb stimmt es auch, was die Haushälterin Fernanda Klein damals erlauscht hat und was Kora Konstantin dann überall herum trompetete. Papa Baptiste hatte Angela bei ihrer Beichte tatsächlich keine Absolution erteilt. Er werde für sie beten, so ähnlich soll er damals zu Angela gesprochen haben. Aber das >Ego te absolvo< konnte er nicht über die Lippen bringen.«
    »Wogen Angelas Sünden denn wirklich so schwer?«
    »Das ist eine Frage, Pavel, die zu beantworten mir nicht ansteht. Entscheidend war, Papa konnte und durfte keine Sünden vergeben. Er war kein Priester!«
    »Was?!«
    »Exakter gesagt, als er nach Baia Luna kam, war er kein Priester mehr. Papa Baptiste war exkommuniziert, das heißt, er war vom Priesteramt exkludiert, aus seinem benediktinischen Orden und aus der Herde der katholischen Kirche verbannt.«
    »Aber weswegen? Das ist nicht wahr!«
    »Doch. Es ist wahr. Als ich Papa Baptiste fragte, warum er mir nicht das Ego te absolvo spendiert, hat er mir beim Zuika alles erzählt. Anfang der dreißiger Jahre war Papa für die vatikanische Geheimdiplomatie beim Sowjetrussen tätig gewe sen. Als
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