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Wie die Madonna auf den Mond kam

Wie die Madonna auf den Mond kam

Titel: Wie die Madonna auf den Mond kam
Autoren: Rolf Bauerdick
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Barbulescu?« Ich stieß die Frage hervor, ohne ihre Ungeheuerlichkeit zu begreifen.
    »Ja, das hatte ich.«
    »Aber, Onkel Dimi, du hast sie nicht geliebt.« Buba zitterte.
    »Nein. Ich habe Angela benutzt. Und als ich begann, sie zu lieben, da war es zu spät. Bei unseren nächtlichen Treffen sprachen wir nur wenig miteinander. Aber ich spürte immer, etwas war ihr widerfahren. Etwas Dunkles, früher, vor der Zeit, als sie nach Baia Luna gekommen war. Ich sah ihren Schatten, doch ich verschloss die Augen. Ich wollte ihn nicht sehen. Ich wollte sie nicht sehen. Sie sollte ihr Herz für sich behalten. Bis zu unserer letzten Nacht vor dem fünfundfünfzigsten Geburtstag meines Freundes Ilja. Es war schon fast Winter, und Angela kam durch die Kälte. Sie fror, und wir liebten uns. Aber wir wurden nicht warm. Sie kleidete sich wieder an und sagte nur: >Dimitru, ich werde nicht mehr kommen. Ich steige hinab in das schwarze Wasser.<«
    Dimitru weinte. »Alles hätte ich in diesem Augenblick gegeben, um sie vor dem letzten Schritt zu bewahren. Alles. Aber es war zu spät. Als Angela mir ihr Herz zeigte, war die Uhr abgelaufen. Sie hatte mich berührt, aber ich sah ein Herz ohne Blut. Es lag im Sterben. Verwundet vor langer, langer Zeit. Als ich endlich meine Liebe spürte, wusste ich, was Schuld ist. Sie war verloren. Und ich hatte ihr nicht beigestanden. Sie würde sterben und das dunkle Geheimnis ihrer Vergangenheit mitnehmen.«
    »Onkel Dimi, Angela hat ein Tagebuch geschrieben, das ... « »Ich weiß, meine Buba, ich weiß. Lass mich reden. Ich war verzweifelt. Ich konnte an nichts anderes denken als an Angela. Zugleich war der Geburtstag meines Freundes Ilja. Als ich am Nachmittag den Fernseher in die Schankstube trug, hatte ich schon Zuika getrunken. Ich durfte doch meinen Freund an seinem Ehrentag nicht mit der Last meines schlechten Gewissens beschweren. Also trank ich weiter. Unsere Gespräche mit Papa Baptiste über Koroljows Sputnik und die Jungfrau Maria flogen an mir vorbei. Ich war so betrunken, dass ich beim Nachhauseweg die Treppe vor Iljas Butike hinunterstürzte. Pavel und Fritz, erinnert ihr euch, dass ihr mich nach Hause geschleppt habt?«
    »Oh ja, Dimitru«, sagte Fritz, »diese Nacht werde ich nie vergessen.«
    »Ich war trunken, glaubt mir, aber ich war nicht blind und nicht taub. Ich hörte die Turmuhr halb zehn schlagen und sah, dass in Angelas Haus kein Licht brannte. Aber um diese Zeit brannte bei ihr immer Licht. Da wusste ich, sie war unterwegs zum schwarzen Wasser. Ich bin dann eingeschlafen, aber mitten in der Nacht wurde ich wach. Ich fror ganz schrecklich. Mir war, als hörte ich sie leise rufen: >Dimitru, Dimitru! Mir ist kalt. Mir ist so kalt.< Ich bin aufgestanden, aber draußen war niemand. Ich flehte zum Herrgott, er möge Angela in die Bibliothek des Pfarrhauses schicken. Obwohl ich wusste, dass solche Gebete nie erhört werden, ging ich zum Pfarrhaus. So nahm das Unheil seinen Lauf. Wäre ich nicht dort gewesen, hätten diese Verbrecher Papa Baptiste nicht ermordet.«
    Dimitru weinte nun hemmungslos. Buba legte ihm die Hand auf. »Was ist denn geschehen, Onkel Dimi?«
    »Meine Neugier war schuld . Es war dieser Briefumschlag. Er steckte im Postkasten des Pfarrhauses. Obwohl er nicht für mich bestimmt war, nahm ich ihn heraus und verschloss mich in der Bibliothek. In dem Umschlag steckten Fotografien.«
    »Die stammten von meinem Vater Heinrich«, unterbrach Fritz den Zigan. »Mein Vater hat den Brief eingeworfen.«
    »Das habe ich damals auch vermutet. Auf den Bildern war Angela zu sehen. Mit einigen Männern. Sie haben mit ihr Dinge gemacht, die man mit einem Menschen nicht tun darf. Ich darf zu euch nicht darüber sprechen. Doch ich wusste nun, weshalb Angelas Herz verblutet war. Sie war eine tapfere Frau. Sie lebte weiter, obschon man sie längst getötet hatte.«
    »Diese Bilder«, fragte ich, »Dimitru, was ist mit ihnen passiert? «
    »Was sollte ich denn tun? Ich habe sie verbrannt und die Asche in die Tirnava gestreut. Deshalb musste Papa Baptiste doch sterben. Die Kerle, die ihn umgebracht haben, dachten, er habe die Fotografien im Pfarrhaus versteckt. Deswegen haben sie alles auf den Kopf gestellt. Aber Papa Baptiste hatte doch keine Ahnung. Er konnte nicht reden, weil er nichts wusste.«
    »Vielleicht wusste er doch etwas über Angelas Vergangenheit?«, entgegnete ich zaghaft. »Damals hat doch die Kora Konstantin behauptet, Angela sei am Nachmittag an Großvaters
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