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Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Titel: Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann
Autoren: Lilian Thoma
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Jetzt wird mir klar, dass du immer einen Grund finden würdest, unsere Beziehung zu zerschlagen, weil dir das, was zwischen uns ist, nicht reicht.«
    »Wahrscheinlich hast du recht«, erwiderte ich.
    »Du willst, dass ich gehe, oder?«
    Ich nickte.
    »Komm her«, sagte er dann und nahm mich in den Arm, bevor wir uns ein letztes Mal küssten.
    Ich brachte Dexter zur Tür und sah, wie er sich auf halber Treppe nochmals umdrehte und mir zulächelte. Vielleicht, hoffte ich, könnten wir irgendwann unsere alte Freundschaft wieder aufleben lassen.
    In den nächsten Monaten ignorierte ich das Thema Männer, denn die Bilanz der letzten Monate war ernüchternd: Zwar hatte ich immerhin zwei Liebesbeziehungen gehabt, auf die ich mich ernsthaft eingelassen hatte, doch was brachte mir das, nachdem beide grandios gescheitert waren?
    Außerdem wollte ich meinen Kindern keine Romanzen wie am Fließband vorleben und sie auch nicht nochmals an einen neuen Mann gewöhnen, der dann womöglich wieder aus meinem und damit auch aus ihrem Leben verschwinden würde. Dass Dexter und seine Kinder, die sie in der kurzen Zeit sehr lieb gewonnen hatten, uns nicht mehr besuchen kamen, hatte sie schon traurig genug gemacht.
    Meine beruflichen Vorhaben ließen sich dafür ganz gut an: Ich akquirierte einige Aufträge, stürzte mich in die Arbeit und konnte bald schon einen weiteren Teil der Schulden bei meiner Mutter begleichen.
    Eines Tages – inzwischen war es Mai geworden und die Sonne schien warm vom Himmel – saß ich in meiner Freizeit, die ich neuerdings hin und wieder hatte, in einem Café und blätterte in einem Lifestyle-Magazin. Unter der Überschrift Beim zweiten Mann wird vieles anders wurden hippe Patchworkbeziehungen vorgestellt, die angeblich bestens funktionierten und Lebenslust für alle Beteiligten bereithielten. Mit der lahmen rhetorischen Frage: Patchwork – das Modell der Zukunft? endete die Reportage.
    Ich ärgerte mich über den Weichspülartikel, in dem das angeblich so leichtfüßige Villa-Kunterbunt-Leben von Patchworkern romantisiert und mit einer ebenso Appetit anregenden Rhetorik beschrieben wurde wie das Rezept für Tante Annegrets Apfelstrudel auf der nächsten Seite.
    Natürlich konnten Patchworkbeziehungen funktionieren, so wie auch Erst-Ehen funktionieren konnten . Dass die Beziehungen in der zweiten Runde aber in blumiger und sonniger Heiterkeit vonstatten gingen, hatte ich in der Realität noch nie erlebt oder beobachtet.
    Selbst solche Paare, die sich in der zweiten Runde in neuen langfristigen Beziehungen zusammengefunden hatten, konnten – und zwar unabhängig davon, wie glücklich sie mit ihren neuen Partnern waren – abendfüllende tragikomische Anekdoten über Exmänner, Exfrauen, Stiefkinder, Exschwiegereltern und ihren Alltag im ständigen Spagat erzählen. Manche Patchworkbeziehungen funktionierten auch nur deshalb so gut, weil die Probleme, die durch die familiären Schnittmengen entstanden, so massiv waren. Durch die vielen außenpolitischen Angriffe blieb den Paaren keine Energie mehr übrig, um sich intern auch noch zu streiten.
    Ich ärgerte mich auch darüber, dass in den Medien immer nur gelungene Zweitrunden-Beziehungen beispielhaft vorgestellt wurden. Hingegen hatte ich noch nie einen Artikel über Zweitrundler wie mich gelesen, deren neue Beziehungsversuche wiederholt scheiterten. Dabei war ich kein Einzelfall. Im Gegenteil: Um mich herum wimmelte es nur so von mittelalten Männern und Frauen mit Nachwuchs im Gepäck, denen es ganz ähnlich ging.
    Warum schrieb nicht mal jemand einen Artikel über die Do’s and Dont’s der Partnersuche in der zweiten Runde? Über die Schwierigkeiten, die die Suche und das Erleben einer neuen Liebesbeziehung für Singleeltern mit sich brachten, gab es nämlich noch kaum Erfahrungsberichte und erst recht keine aus Erkenntnissen gewonnenen Ratschläge. Auch fand man hierfür nur wenige Vorbilder, da die Generation vor uns ihre Beziehungsprobleme meistens anders löste. Scheidungen gab es damals zwar auch schon viele. Jedoch war es der Klassiker, dass sich die Eheleute erst trennten, wenn das jüngste Kind das Elternhaus verlassen hatte. Manche dieser Spättrenner legten sich für die letzte Wegstrecke ihres Lebens noch einen neuen Partner zu, andere zogen das Alleinsein vor. Dass aber so viele mittelalte Menschen – und die meisten von ihnen mit mindestens einem kleinen Kind im Gepäck – auf Partnersuche gingen, war ein neues gesellschaftliches Phänomen
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