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Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Titel: Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann
Autoren: Lilian Thoma
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Psychologe hätte mit einer Familienaufstellung angefangen. Matthias und sie sollten sich, ihrem Bauchgefühl folgend, im Raum aufstellen und nicht anwesende Familienmitglieder stellvertre tend durch Stühle platzieren. Da sie beide aus sehr großen Ursprungsfamilien stammten, von denen viele Mitglieder Einfluss aufs Hier und Jetzt hatten, standen im Nu rund vierzig gleich aussehende Stühle um sie herum.
    »Niemand konnte sich merken, welcher Stuhl wen repräsentierte«, sagte Cosima. »Das Ganze wurde so absurd, dass Matthias und ich lachen mussten, woraufhin der Therapeut die Sitzung beleidigt abbrach.«
    Ich konnte mir die Situation lebhaft vorstellen. Meiner Meinung nach gehörten viele Therapeuten dringender auf die Couch als ihre Patienten. So erinnerte ich mich noch gut an eine Psychologin, die mich ungebeten während eines Krankenhausaufenthalts »betreut« hatte: Während der Schwanger schaft mit den Zwillingen wurde ich wegen Plazentaproblemen drei Wochen lang stationär aufgenommen und permanent von der diensthabenden Psychologin besucht. Mit ihrer betont ruhigen Singsangstimme redete sie auf mich ein, ich sollte meine Ängste um die ungeborenen Babys imaginativ in einen See versenken oder sie mir von der Seele malen. Als ich der Therapeutin nach einigen Tagen zu verstehen gab, dass ich im Laufe meines Lebens eigene Strategien zur Bewältigung von Konfliktsituationen entwickelt hatte und sie ihre wertvolle Zeit nicht mehr mit mir zu verschwenden brauchte, reagierte sie ähnlich beleidigt wie Cosimas Therapeut. Auch das restliche Krankenhauspersonal verhielt sich von dem Tag an distanziert – denn auf einmal war ich stigmatisiert und galt als »schwierige Patientin«.
    »Aber was sind denn jetzt die guten Neuigkeiten?«
    Cosima lehnte sich zu mir über den Tisch, damit niemand mithören konnte.
    »Ich habe Matthias überredet, mit mir ins Tantra-Zentrum Meadows of Earthly Delights zu gehen. Und das hat’s echt gebracht.«
    Das Berührungs-Coaching in Kombination mit der Tantra-Massagen-Paar-Session, fuhr Cosima fort, hätte ein wahres Wunder – oder besser gesagt: Sex mit Matthias – bewirkt.
    »Das ist der Hammer, Phyl, und da gib t ’ s übrigens auch viele Angebote für Singles, probier’s doch auch mal aus.«
    Ich fand die Idee gar nicht schlecht. Wenn ich Cosima Glauben schenken konnte, war eine Tantra-Session bestimmt erfüllender als der Einsatz des speziell geformten »Push-it-Vibrators« mit Delfinkopf, von dem meine damalige Nachbarin Sandra König aus Zehlendorf jedes Mal schwärmte, wenn sie ein paar Gläser zu viel gepichelt hatte.
    Der Wermutstropfen der Tantra-Sessions war jedoch ihr Preis, wie Cosima mir verriet. Zwischen zweihundert und dreihundert Euro kostete das sinnliche Vergnügen pro Session und Person.
    Auf dem Weg nach Hause machte ich einen kleinen Umweg und ging zu Anouks Laden. Die hatte sich in letzter Zeit bei Verwandten am Bodensee eine Auszeit genommen, und so schien mir eine Ewigkeit seit unserem letzten Gespräch vergangen zu sein. Umso mehr freute ich mich, als ich Anouk schon von Weitem mit ihrem Baby auf dem Arm vor ihrem Laden sitzen sah.
    »Für ein paar Wochen in der Einöde zu verschwinden, war das Beste, was ich tun konnte«, erzählte sie mir, als ich mich neben sie gesetzt hatte.
    »Dein Baby und du seht sehr erholt aus«, bestätigte ich ihr.
    »Nicht nur das«, sagte Anouk. »Die räumliche Trennung hat auch meiner Beziehung mit Tim gutgetan.«
    »Das heißt konkret?«
    »… dass Tim sich jetzt doch auf eine › Living-Apart-Together -Beziehung‹ einlässt«, erklärte Anouk, womit sie eine feste Beziehung in getrennten Wohnungen meinte.
    »Zuerst war er ja absolut dagegen«, fuhr Anouk fort, »aber dann wurde zufällig bei uns im Haus direkt unter mir eine Wohnung frei. Und dort wohnt er jetzt seit letzter Woche.«
    Ich freute mich für Anouk. Gleichzeitig erleichterte mich die Tatsache, dass Tim eine Etage unter ihr eingezogen war. Hätte seine neue Wohnung über ihrer gelegen, hätte Anouk das bestimmt weitaus schlechter ertragen.
    Abends, als die Kinder schon schliefen und es draußen noch hell und warm war, setzte ich mich auf meinen Balkon, öffnete eine Flasche Wein und dachte mit einem Anflug von Selbstmitleid darüber nach, wie oft ich in meinem Leben schon unter der Liebe gelitten hatte. Vielleicht, dachte ich, war es an der Zeit, mir meine Frustration einzugestehen und das Thema vorerst aus meinem Leben auszuklammern.
    Nach dem zehnten frisch
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