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Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie

Titel: Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie
Autoren: Lauren Oliver
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über sie lustig machen. Sie sagt, ihr gefällt es, wie sie redet.
    Ich nehme ihr die Handschuhe ab. Sie sind aus Kaschmir und Izzy hat wahrscheinlich Erdnussbutter draufgeschmiert. Sie schaufelt sich das Zeug gläserweise rein.
    Â»Was hab ich dir gesagt, Izzy?«, frage ich und stupse sie mitten auf die Stirn. »Fass meine Sachen nicht an!« Sie kichert wie blöd und ichmuss sie reinscheuchen, um die Tür zumachen zu können. Wenn es nach ihr ginge, würde sie den ganzen Tag wie ein Hund um mich herumscharwenzeln.
    Als ich es endlich aus dem Haus geschafft habe, lehnt sich Lindsay aus dem Fenster des Panzers. So nennen wir ihr Auto, einen riesigen silbernen Range Rover. (Jedes Mal, wenn wir damit rumfahren, sagt mindestens einer: »Das Ding ist kein Auto, sondern ein Lastwagen«, und Lindsay behauptet, sie könne sogar einen Crash mit einem Sattelschlepper unbeschadet überstehen.) Ally und sie sind die Einzigen von uns, die ein eigenes Auto haben. Allys Auto ist ein kleiner schwarzer Jetta, den wir Winzling getauft haben. Ich kann mir manchmal den Accord meiner Mutter leihen; die arme Elody muss sich mit dem alten hellbraunen Ford Taurus ihres Vaters begnügen, der kaum noch fährt.
    Die Luft ist still und eiskalt, der Himmel von einem perfekten Hellblau. Die Sonne ist gerade aufgegangen, sie sieht blass und fahl aus, als hätte sie sich selbst über den Horizont gekippt und wäre zu faul, sich aufzuwischen. Es soll später noch ein Unwetter geben, aber danach sieht es überhaupt nicht aus.
    Ich setze mich auf den Beifahrersitz. Lindsay raucht bereits und zeigt mit der Spitze ihrer Zigarette auf den Kaffee, den sie von Dunkin’ Donuts für mich mitgebracht hat.
    Â»Bagels?«, frage ich.
    Â»Die liegen hinten.«
    Â»Sesam?«
    Â»Na klar.« Sie mustert mich kurz, als sie aus unserer Ausfahrt fährt. »Schicker Rock.«
    Â»Deiner auch.«
    Lindsay tippt sich mit dem Finger an die Stirn, um sich für das Kompliment zu bedanken. Wir tragen den gleichen Rock. Es gibt nurzwei Tage im Jahr, an denen Lindsay, Ally, Elody und ich freiwillig das Gleiche anziehen: am Pyjamatag während der »Woche der Schulgemeinschaft«, weil wir letzte Weihnachten alle die gleichen total süßen Schlafanzüge bei Victoria’s Secret gekauft haben, und am Valentinstag. Wir haben drei Stunden im Einkaufszentrum darüber diskutiert, ob wir in Rosa oder Rot gehen wollen – Lindsay hasst Rosa, Ally steht drauf –, und uns schließlich auf schwarze Miniröcke und ein paar mit rotem Pelz gesäumte Tanktops geeinigt, die wir bei Nordstrom auf dem Wühltisch gefunden haben.
    Wie gesagt, das sind die einzigen Gelegenheiten, zu denen wir freiwillig gleich aussehen. Aber um ehrlich zu sein, sehen an meiner Schule, der Thomas-Jefferson-Highschool, eigentlich alle irgendwie gleich aus. Es gibt keine offizielle Schuluniform – es ist eine staatliche Schule –, aber an neun von zehn Schülern sieht man dasselbe Outfit aus Seven-Jeans, grauen New-Balance-Turnschuhen, weißem T-Shirt und einer farbigen North-Face-Fleecejacke. Sogar die Jungen und die Mädchen ziehen sich gleich an, nur dass unsere Jeans enger sind und wir täglich unsere Haare föhnen müssen. Wir sind hier in Connecticut: Hauptsache, man ist so wie die Leute um einen herum.
    Das heißt nicht, dass unsere Schule nicht auch ihre Freaks hätte – die hat sie –, aber sogar die Freaks sind alle auf dieselbe Art freakig. Die Ökos kommen mit dem Rad zur Schule, tragen Hanfklamotten und waschen sich nie die Haare, als würden Dreadlocks irgendwie dazu beitragen, den Ausstoß von Treibhausgasen zu verringern. Die Theaterversessenen tragen große Flaschen Zitronentee mit sich herum, haben sogar im Sommer Schals um den Hals geschlungen und reden nicht im Unterricht, um ihre »Stimme zu schonen«. Die Mitglieder des Matheklubs haben zehnmal so viele Bücher wie alle anderen, benutzen immer noch ihre Schließfächer und laufen ständig mit einemnervösen Gesichtsausdruck durch die Gegend, als rechneten sie jeden Moment damit, dass irgendjemand »Huh!« schreit.
    Es macht mir eigentlich nichts aus. Manchmal reden Lindsay und ich darüber, nach der Schule abzuhauen und im Loft dieses Tattookünstlers in New York unterzukriechen, den ihr Stiefbruder kennt, aber insgeheim lebe ich gerne in Ridgeview. Es ist irgendwie
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