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Wenn du mich brauchst

Wenn du mich brauchst

Titel: Wenn du mich brauchst
Autoren: Jana Frey
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auf einem Cellovorspiel getroffen.«
    Ich konnte es kaum glauben.
    »Und?«, fragte ich und spürte meinen Herzschlag im ganzen Körper.
    »Und – was?«, fragte Gershon zurück. »Meinst du das Cello? Ein gutes Instrument. Kein Grund zu klagen. – Oder meinst du Hannah Greenberg?«
    Er grinste mir zu. »Hübsch. Nett. Und so weiter. Tolle Cellistin. Ein bisschen zugeknöpft, vielleicht. Ernst. Still. Aber wer weiß? Stille Wasser sind ja bekanntlich tief.«
    Er lachte, während ich das erst einmal verdauen musste.
    Still? Ernst? Zugeknöpft? – Rosies und Leeks Tochter? Rosies und Leeks Gene?
    »Wie Moon halt«, sagte Gershon dann gnadenlos.
    Ich hob den Kopf und hatte auf einmal ein hohles Gefühl im Bauch. Tatsächlich – Gershons Wesensbeschreibung passte geradezu puzzleartig zu Moon. Ich schluckte und kämpfte für einen Moment mit den Tränen.
    Dreimal hatte Delia Greenberg in der Zwischenzeit auf unseren AB gesprochen und mich gebeten zurückzurufen. Sie wollte mich gerne wiedersehen, sagte sie. Genau wie der Rest ihrer Familie. Aber ich hatte noch nicht zurückgerufen. Moons Abwesenheit, Old Nialls Tod, Rosies verändertes Wesen, all das verwirrte mich so, dass ich mich innerlich sträubte, mir noch mehr Aufregung zuzumuten.
    An diesem Abend schickte ich meinem dreizehn Monate älteren Bruder eine SMS.
    Habe dich wahnsinnig lieb, Moon! Komm bald zurück!
    Aber Moon antwortete nicht.
    Rosie kam und ging.
    »Mom, was machst du?«, fragte ich sie am Wochenende höchst beunruhigt.
    Rosie, die dabei war, ihre Fingernägel auf Vordermann zu bringen, druckste herum.
    »Nur so eine Art Kurs«, murmelte sie schließlich. »Einen achttägigen Basiskurs in Klangschalentherapie. Draußen im nördlichen Valley.«
    Ich erinnerte mich an den regenbogenfarbenen Flyer, den Leek vor einer Weile mitgebracht hatte.
    Meine Mutter suchte derweil erneut nach Worten. »Es gibt einen Basis- und einen Aufbaukurs«, erklärte sie etwas fahrig. »Ich habe schon eine Menge gelernt, Sky. Wirklich.«
    Ihre Stimme wurde lebhafter, während sie über Klangschalen, Klangmuster, Sinneswahrnehmung und das Sehen der menschlichen Aura sprach.
    Ich war nur froh, dass Hamburg wieder weit weg war.
    »Toll, Mom«, sagte ich hinterher und lächelte ihr zu. Ihr erstes Zertifikat würde sie, wenn alles gut ging, schon Mitte der kommenden Woche erhalten.
    »Es ist vor allem wegen Moon und dir«, gab Rosie seufzend zu. »Ich will selbstständiger werden. Damit Moon zurückkommt. Und damit du dich nicht für mich schämst und dir eines Tages doch noch wünschst, du wärst bei Greenbergs aufgewachsen …«
    »Mom!«, unterbrach ich sie.
    »Doch, doch«, beharrte Rosie und Tränen stiegen ihr in die Augen.
    Und dann bat sie mich, zurück in mein altes Zimmer zu ziehen, damit sie das Schimmelzimmer neu streichen und eventuell in einen Therapieraum verwandeln könnte.
    »Es geschehen noch Zeichen und Wunder«, sagte Kendra an diesem Abend beeindruckt, als sie zum Übernachten zu mir kam und mich und Rosie beim Ausmisten des Schimmelzimmers überraschte.

36. HANNAH
    Okay, er ist nicht so kafkaesk wie Kafka, er hat eben nur seine Augen und diesen schwermütigen Kafkablick«, lenkte Shar ein, als sie Chajm besser kennenlernte. »Ansonsten ist er ganz umgänglich. Ziemlich witzig, sogar. Und er hat einen guten Musikgeschmack. Außerdem ist er eine wahre Herausforderung für unseren gestrengen Rabbi!«
    Das stimmte allerdings. David verfolgte Chajm mit Argusaugen. Er verdächtigte ihn, seine Religion zu verleugnen, den Staat Israel zu kompromittieren, sogar Schweinefleisch zu essen. In dieser Reihenfolge.
    »David, hör auf damit!«, fuhr ich ihn gereizt an, als es ums Schweinefleisch ging. »Lass ihn in Ruhe. Was soll das?«
    »Ist okay, Hannah«, sagte Chajm leise.
    »Halt dich da raus, Han. Das ist eine Sache zwischen ihm und mir«, fauchte David wütend zurück und bedachte seinen Cousin – nicht meinen – mit einem bösen Blick.
    »Bleib auf dem Teppich, Dave«, schlug Shar vor und lächelte ihm zu, um ihn zu beruhigen, aber es funktionierte nicht wirklich.
    Vielleicht benahm sich David auch nur so, weil heute Rivki kommen sollte. Zum ersten Mal würde sie David hier bei uns zu Hause besuchen. Schließlich wohnten die beiden auch ziemlich weit auseinander.
    »Hi«, sagte sie zu Sharoni, Chajm und mir, als David sie am Nachmittag hereinführte. Wir waren alle im Garten. Esther saß ein wenig abseits von uns und schaute nachdenklich und statuenhaft in
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