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Wenn du mich brauchst

Wenn du mich brauchst

Titel: Wenn du mich brauchst
Autoren: Jana Frey
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geerbt hatte.
    Er spielte einen letzten Akkord zu Remember the tinman und ließ den Ton lange verhallen.
    Und weil ich schon dabei war, schrieb ich Moon auch noch, was Old Niall mir kurz vor seinem Tod anvertraut hatte. Es wurde eine lange, traurige SMS.
    Ein paar Minuten später erreichte mich bereits seine Antwort.
    Bin gestern in Hamburg angekommen, Sky. Vermisse dich schrecklich. Und bin traurig wegen Old Niall. Was für eine üble Geschichte ist das denn? Hast du Rosie und Leek schon davon erzählt?
    »Ob er eure Großeltern besucht?«, fragte Gershon, der neben mir saß und mitlas, die Gitarre immer noch in den Händen.
    Ehe ich antworten konnte, kam eine weitere SMS.
    Old Nialls alten Ford Mustang? Abgefahren! Wie auch immer ich das altersschwache Teil von Belfast nach LA bekommen soll. Das heißt, wenn ich zurückkomme … – Keinen Schreck bekommen, Sky, aber Hamburg ist gar nicht so übel. Habe bereits zwölf nette Hamburger getroffen. Ich zähle mit! Zugschaffner, Bäckereifachverkäuferin, Taxifahrer, Eisverkäufer usw. – Und ein Mädchen namens Klara. Sie sitzt gerade neben mir und wir warten zusammen auf den Sonnenuntergang an der Elbe. – Um Dorotheas und Herrmanns Viertel mache ich allerdings einen lebenserhaltenden Bogen!
    Rosie, die jetzt ein Haus in Irland besaß, wenn auch nur ein sehr kleines, war schon wieder mit meinem Greenbergauto unterwegs.
    »Wohin fährst du eigentlich in den letzten Tagen dauernd, Rosie?«, hatte ich sie etwas verwirrt gefragt, bevor sie aufgebrochen war, aber sie war mir ganz klar ausgewichen.
    »Ich habe dies und das zu erledigen«, murmelte sie vage und schlüpfte in ihre beste Jacke. »Auf dem Rückweg könnte ich Burritos mitbringen. Soll ich?«
    Ich nickte und war immer noch verwirrt. Rosies neuer, entschlossener, leicht verbissener Gesichtsausdruck war beunruhigend.
    »Warum? Freu dich doch drüber«, sagte Gershon achselzuckend und fing wieder an zu spielen. Diesmal Baby can I hold you .
    Rosie blieb ewig weg und irgendwann aßen Gershon und ich anstelle der mit ihr ausbleibenden Burritos eine komplette Packung klebriger Apple Jacks leer. Und noch etwas später rauchten wir im Garten, nur so zum Spaß, eine Wasserpfeife zusammen.
    »Ich wusste gar nicht, dass du ein Kiffer bist«, sagte ich vorher mit gerunzelter Stirn, als Gershon über unsere Stufe vier gestolpert war und so Rosies Haschisch und ein paar von Moons Gedichten entdeckt hatte.
    »Nur ein Hier-und-da-Kiffer«, schränkte Gershon ein.
    Hinterher waren wir brutal aufgedreht. Ich spürte, wie der Stress, der mir in den letzten Wochen so zugesetzt hatte, eine berauschende Auszeit nahm. Wieder runzelte ich kurz die Stirn. War ich etwa dabei, in Rosies und Moons Fußstapfen zu treten, gerade jetzt, wo Rosie sich zusammenriss und Moon ebenfalls versuchte, neue, produktivere Wege zu gehen?
    Ach – Blödsinn. Rosies und Moons Fußstapfen gehörten schließlich überhaupt nicht zu mir. Vor ihnen musste, wenn überhaupt, sich Hannah Greenberg fürchten. Oder etwa nicht? Ich war ein Spross der anständigen Familie Greenberg.
    »Glaubst du an Vererbung?«, fragte ich Gershon, während wir Cherry 7Up tranken und Baby-Ruth-Riegel und Peanut-Butterfinger futterten. Aus unserem Wohnzimmer sang Alicia Keys für uns. Gershon gab meinen Fingern zarte Fingerspitzenküsse.
    Neben uns lagen im Gras ein paar von Moons Gedichten aus dem Stufenversteck. Wir hatten eine Weile hin und her überlegt, ob Moon wohl etwas dagegen haben würde, wenn ich Gershon seine Texte zeigte, und irgendwann beschlossen, dass es okay war. Schließlich war Moon Dichter. Und Dichter schrieben normalerweise für ein lesendes Publikum. Wir durchforsteten schließlich nicht seine privaten Tagebücher. Gershon fand, dass Moon ziemlich tragische Sachen schrieb.
    »Zu deiner Vererbungsfrage«, sagte er jetzt. »Fünfzig, fünfzig.« Er lächelte mir zu und seine karamellfarbenen Augen blitzten eine Spur belustigt. »Demnach bist du zur Hälfte eine Greenberg und zur Hälfte eine Lovell.«
    Ich ließ diesen Satz in mir nachklingen, während ich an Moons Baum lehnte und Godots sonnenwarmen Schädel streichelte. Das klang doch im Grunde gar nicht so schlecht.
    »Ich kenne den Greenbergclan übrigens vage«, fuhr Gershon fort.
    »Was? Woher?«, fragte ich verblüfft.
    Gershon winkte ab. »Keine große Sache, Sky«, sagte er. »Ist mir nur wieder eingefallen. Ich habe mein Cello bei Greenberg & Company gekauft. Und außerdem diese Hannah Greenberg mal
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