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Wenn du mich brauchst

Wenn du mich brauchst

Titel: Wenn du mich brauchst
Autoren: Jana Frey
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ins Haus gegangen. Am liebsten hätte ich mich ihnen angeschlossen und mich für die nächsten Stunden in meinem Zimmer eingeschlossen.
    Esther war ebenfalls verschwunden, wohin auch immer.
    »Nun hört doch auf mit diesem blöden Streit«, sagte Shar mit einem aufmunternden Blick in die Runde.
    »Wenn sie wirklich eine deutsche Mutter hat, ist sie nicht jüdisch«, erklärte Rivki mit kühler Stimme.
    »Das ist doch Unsinn«, entgegnete Shar und tippte sich an den Kopf.
    »Das ist alles andere als Unsinn«, sagte Rivki und kniff die Augen zusammen. »Nach der Halacha, den jüdischen Religionsvorschriften, gilt der Mensch als Jude, der eine jüdische Mutter hat.«
    »Ich habe eine jüdische Mutter, Rivki«, sagte ich und ich glaube, ich kniff meine Augen genauso wütend zusammen wie sie.
    »Meinst du – Davids Mutter?« Rivki maß mich mit abschätzenden Blicken.
    »He, sie ist auch Hans Mutter«, verbesserte Shar ärgerlich. »Seit fast achtzehn Jahren. Das sollte doch wohl reichen, oder?«
    »Aber sie hat sie nicht geboren. Und darauf kommt es an. Eine jüdische Mutter braucht nicht mal jüdisch zu leben, auch wenn das abscheulich und verdammenswert ist. Aber ihre Kinder werden dennoch jüdisch geboren! Denn Bedingung ist nur, dass die Mutter bei der Empfängnis Jüdin nach der Halacha gewesen ist …«
    David knetete seine Finger und machte ein betretenes Gesicht, aber er schwieg. In meinem Kopf drehte sich alles und meine Augen fingen an zu brennen.
    Sag etwas, Dave! Lass mich nicht so im Regen stehen, bitte.
    Aber ich sprach es nicht aus.
    »Wenn sie konvertieren würde, könnte sie Jüdin werden«, fuhr Rivki fort und sprach von mir in der dritten Person, als sei ich es nicht mehr wert, in dieses Gespräch miteinbezogen zu werden. »Trotzdem blieben ihre – deutschen Wurzeln.« Sie strich sich die dunklen Haare aus der Stirn.
    »Das mit deinen hellen Haaren kam mir gleich komisch vor«, wandte sie sich nun doch wieder an mich. »David, meine Eltern werden bestimmt auch nicht gerade begeistert von der Geschichte sein. Ich weiß nicht, ob sie es dann noch gutheißen, dass wir miteinander befreundet sind.«
    »Rivki …«, sagte David leise, aber sie überhörte es.
    »Wie konntest du mir diese – Sache so lange verschweigen? Ich meine, wir kennen uns schon fast drei Monate.«
    »He, David, nun sag doch auch mal was.« Shar funkelte ihn an.
    »Ich weiß nicht, was«, stotterte David nervös. »Ich – ich bin mir unsicher …«
    In diesem Moment ergriff Chajm das Wort. »Was Rivki sagt, trifft heute nur noch für streng orthodoxe Juden, aber nicht für das liberale Judentum zu«, sagte er mit gerunzelter Stirn. »Hannah ist jüdisch erzogen worden, ergo ist sie jüdisch. So wie wir – und wie auch alle von jüdischen Menschen adoptierten Kinder.« Er schaute in die Runde und sein Blick blieb an Rivki haften. »Wenn man dir zuhört, kann einem echt angst und bange werden.« Zum ersten Mal sprach er hebräisch. »Ich will ja keine heftigen Vergleiche ins Feld führen, aber so wie andere früher mal den Ariernachweis verlangt haben, trittst du heute anscheinend für den Judentumsnachweis ein.«
    David biss sich auf die Lippen, während Rivki aufsprang. »Das muss ich mir ja wohl nicht gefallen lassen!«, rief sie aufgebracht. »David, du verbietest deinem Cousin sofort, so mit mir zu reden. Er tut, als wäre ich ein Nazi! Ich! – Dabei ist sie die Deutsche!« Sie deutete auf mich und genau in diesem Moment war Esther plötzlich wieder da. Klein, sehr alt und sehr müde aussehend, aber kerzengerade tauchte sie in der Terrassentür auf und sah wie ein alter schwarzer Rabe aus.
    »Nun ist es aber genug!«, sagte sie ruppig und streng zur gleichen Zeit, während ich gegen lästige Tränen ankämpfte. »David, kümmere dich um deine Schwester! Und dann tu mir den Gefallen und schaff dieses stocksteife Mädchen aus dem Haus!«
    David saß für einen Moment wie erstarrt da, aber dann gab er sich einen Ruck.
    »Han«, sagte er leise und warf mir einen vorsichtigen Blick zu. Rivkis Blick wich er aus. »Hannah. Es tut mir leid. Bitte entschuldige. Ich hätte es – nie so weit kommen lassen dürfen …«
    Rivki war rot vor Zorn geworden.
    Und fünf Minuten später verließ sie so stocksteif, wie Esther sie genannt hatte, unser Haus. David fuhr sie zurück zu ihren Eltern, die in einem Vorort von Los Angeles in einer jüdisch-orthodoxen Gemeinde zu Besuch waren.
    »David muss an akuter Geschmacksverirrung leiden«, sagte
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