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Wenn du mich brauchst

Wenn du mich brauchst

Titel: Wenn du mich brauchst
Autoren: Jana Frey
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Traum mit den Pfoten, Kendra schaute sich in gedämpftem Ton eine alte Ellen De Generes Show zum Thema Lesbisch-Sein an und ich versuchte, mich an eine Zeit zu erinnern, in der Leek und Rosie, meine Eltern, sich noch nicht pausenlos über alles gestritten hatten.
    Es gelang mir nicht.
    »Deutschland, Leek!«, sagte meine Mutter in diesem Moment wütend. »Ich weiß, du glaubst mir nicht. Aber eines Tages passiert es und ich gehe zurück. Mit Moon und Sky – und wenn es sein muss, auch mit Godot, dem Stinktier!«
    Nach Deutschland? Zu Oma Dorothea und Opa Herrmann? Nur über meine Leiche.
    Ich bin Sky. Sky Lovell, sechzehn Jahre alt.
    Meine Eltern haben sich 1992 in San Francisco, im berühmten Stadtteil Haight-Ashbury, kennengelernt. Und exakt neun Monate nach dem Nachmittag, als Leek meiner Mutter begegnete, die heute vielleicht der letzte Hippie auf Erden ist, wurde Moon geboren.
    Sie trafen sich vor dem Haus, in dem in den Sechzigerjahren Janis Joplin gelebt hatte. »Du sahst so verloren aus«, erzählte Leek. »Und du hast dieses idiotische Haus fotografiert!«
    »Ich sah nicht verloren aus«, sagte Rosie ärgerlich. »Und in dem Haus hat immerhin Janis Joplin gewohnt!«
    »Doch. Verloren und schön«, beharrte mein Dad, wenn er diese Kennenlerngeschichte erzählte. »Und du hast ein schreckliches Englisch gesprochen, als du mir erklärt hast, was für ein Fan du bist und dass du alle ihre Platten hast.«
    Meine Mom lächelte dann. »Ja, das stimmt. Ich war besser in Französisch, aber in Paris habe ich keinen getroffen, für den es sich gelohnt hätte, in Frankreich zu bleiben. Und so habe ich es in Amerika versucht. Es war mein erster Tag in den Staaten. Du warst praktisch der erste Mensch, mit dem ich ein englisches Wort gewechselt habe. Und du warst nicht die Spur mein Typ, Leek Edward Lovell! Rote Haare. Weiße Haut. Sommersprossen überall. Aber ich wollte – verflixt noch mal – weg aus Deutschland! Und das so schnell und gründlich wie möglich.«
    Leek lächelte dann auch.
    Mein Dad, mit richtigem Namen Lawrence, war Amerikaner mit irischen Wurzeln. Daher seine roten Haare und seine grünen Augen, die ich geerbt habe. Damals studierte er in Berkeley Kunst. Obwohl seine Eltern darauf bestanden hatten, dass er Medizin studierte, aber Leek kann nicht mal Blut sehen. Geschweige denn andere menschliche Innereien. Oder überhaupt Innereien. Darum ist er auch Vegetarier.
    »Wie dem auch sei«, sagte Leek und lachte leise. Dieses leise Lachen ist die einzige Ähnlichkeit zwischen ihm und Moon.
    »Dann war dieses dünne deutsche Mädchen mit den bunt gefärbten Haaren, dem trotzigen Gesichtsausdruck und dem unmöglichen deutschen Akzent plötzlich und unerwartet schwanger und wir brauchten dringend Geld, weil sie immerzu Hunger hatte«, erzählte er. »Und darum habe ich das Studium hingeschmissen. Weißt du noch, wie hungrig du damals dauernd warst, Rosiedarling?«
    »Plötzlich und unerwartet!«, sagte meine Mutter, beugte sich vor und fuhr Leek zärtlich durch die wirren roten Haare. »Du hast mich verführt. Am Strand. Unter dieser Brücke. Es wimmelte von Mücken um uns herum. Und das Meer machte einen Riesenlärm. Außerdem war ich kein Mädchen mehr, ich war zwanzig, Mr Lovell. Und ich hatte dich gewarnt, dass ich nicht die Pille nehme. Und du sagtest daraufhin: ›Gut, dann machen wir jetzt eben ein Baby.‹«
    »Seine Liebe zu Zwanzigjährigen hat er sich jedenfalls durch die Jahre hindurch bewahrt«, flüsterte Moon mir mit düsterer Miene zu. Und das stimmte. Die Frauen, die reihenweise bei Leek in Venice in seinem Apartment in der Lower Street logierten, waren alle sehr jung. Es war immer das Gleiche. Er sah sie irgendwo, manchmal nur vom Auto aus im Vorbeifahren, und dann machte er einen Riesenaufstand, bis er sie auf einen Termin zum Malen festnageln konnte. Er bremste einfach und nahm dabei Auffahrunfälle in Kauf, er rannte den Frauen, auf die er es abgesehen hatte, durch Straßenblöcke hinterher, er hat sogar mal einen Radioaufruf gestartet, um eine bestimmte Frau wiederzufinden, die in einer Straßenbahn an ihm vorübergefahren war, während er in einem Bistro saß und ein französisches Zwiebelbaguette aß.
    Leek malte alle Frauen nackt. Und dann hatte er Sex mit ihnen. Und sie wohnten eine Weile bei ihm. So ist der Lauf der Dinge.
    »Moon kam unter Sternen und bei Mondschein zur Welt«, erzählt Leek und lächelt meinem Bruder zu. Moon lächelt nicht zurück.
    »Ja, wir waren auf den Twin
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