Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn du mich brauchst

Wenn du mich brauchst

Titel: Wenn du mich brauchst
Autoren: Jana Frey
Vom Netzwerk:
Shar kopfschüttelnd und streckte sich erleichtert, als die Tür hinter den beiden ins Schloss fiel. Wir waren alle ins Haus gegangen. »Ich hoffe, diese Irre kommt nie wieder!«
    Chajm lächelte mir zu, während er mit schräg gelegtem Kopf Esthers Holocaustfilmesammlung durchsah. Ich hatte mich wieder etwas beruhigt, Chajms Worte hatten mir gutgetan.
    Esther selbst saß nachdenklich am großen Esstisch und trank in kleinen Schlucken einen leuchtend roten Wodka-Cranberry.
    »Mutter, ich dachte, du würdest das endlich lassen!«, sagte meine Großmutter, die plötzlich wieder im Raum stand. Jonathan und Arik waren in Jonathans Zimmer verstaut, wo sie sich Cartoons im Fernsehen ansahen.
    »Wer hat dich auf diesen schmalen Pfad gebracht, Sarah?«, schnauzte Esther ihre einzige Tochter an. »Ich musste nachdenken und dazu brauchte ich einen schmerzhaft klaren Kopf. Das war alles.«
    Sie trank, ganz große Dame, das Glas leer.
    »Das Zeug wird dich noch umbringen«, prophezeite meine Großmutter düster.
    »Keine große Tragödie, wenn man achtundachtzig ist«, murmelte Esther ungerührt. Dann wandte sie sich an mich.
    »Hannah, sitz gerade oder willst du einen krummen Rücken?« Sie seufzte und schenkte sich ein zweites Glas ein.
    »Der Holocaust-Heinrich wird allmählich drängend«, fuhr sie anschließend düster fort. »Diese Gedenkveranstaltung ist im September. Der Trottel bedrängt mich immer noch, dass ich an seiner Stelle fahren und seine Rede halten soll.«
    »Wovon sprichst du? – Wovon spricht sie?«, fragte meine Großmutter und schaute verwirrt von Esther zu mir.
    Ich erklärte es und Esther nickte.
    »Aber Mutter«, sagte Sarah erschrocken. »Das kannst du dir doch nicht mehr zumuten! Dafür bist du viel zu alt. Die Reise. Der Flug. Die Aufregung. Und – Auschwitz wiedersehen, was für ein Gedanke!«
    Wie immer stockte meine Großmutter, bevor sie den Namen des Lagers aussprach, in dem sie unter so menschenunwürdigen Verhältnissen zur Welt gekommen war.
    Gleichzeitig schob sie so unauffällig wie möglich die Wodkaflasche ans andere Ende des Tisches.
    Esthers Miene war unergründlich. Aber plötzlich sah sie mich an. »Hannah, ruf dieses Mädchen an«, sagte sie mit fester Stimme.
    Ich starrte sie an und sah gleichzeitig aus den Augenwinkeln, wie meine Großmutter die Wodkaflasche à la David Copperfield vom Tisch verschwinden ließ.
    »Du meinst – Sky Lovell?«
    Esther nickte. »Sie soll herkommen. So schnell wie möglich. Ich will sie sehen. – Ich habe mit ihr zu reden. Und mit dir auch. Und mit David, ehe er sich eines Tages noch wirklich verrennt.«
    »Mutter, ist dir nicht gut?«, fragte meine Großmutter besorgt und nahm auch die Flasche mit dem Preiselbeerlikör vom Tisch. »Du wirkst müde, erschöpft, verwirrt. – Willst du dich nicht ein bisschen hinlegen?«
    »Unsinn«, erwiderte Esther unwirsch. »So klar wie heute habe ich schon lange nicht mehr gedacht.«
    Spät an diesem Abend, als Shar nach Hause gefahren war, kam Chajm noch einmal in mein Zimmer. »Ich wollte dir nur Gute Nacht sagen«, sagte er und küsste mich.
    »Hast du übrigens schon bei Sky angerufen?«, erkundigte er sich anschließend.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Tust du es morgen?«
    Ich nickte.
    David war in seinem Zimmer und hörte, obwohl es schon fast elf war, laut Musik. Wahrscheinlich, um seine Enttäuschung im Bezug auf Rivki zu verdauen.

37. SKY
    »Oh, hi«, sagte ich überrumpelt. Das Telefon hatte geklingelt, gerade als ich dabei war auszurechnen, wie viele freie Tage noch vor mir lagen, ehe mein letztes Highschooljahr beginnen würde.
    Rosie war mit dem Greenbergauto zum Baumarkt gefahren, um gelbe Farbe für das leer geräumte Exschimmelzimmer zu besorgen. Leek und Grandpa Nat waren immer noch in Irland. Zumindest hatten wir nichts Gegenteiliges gehört.
    Am anderen Ende der Leitung war Hannah Greenberg. Verdammt, wie viel leichter es doch war, bei Facebook zu kommunizieren, als am gewöhnlichen Telefon. Ich war wirklich erschrocken, so völlig unvorbereitet ihre Stimme zu hören. Es machte ihre Existenz so real. Rosies und Leeks leibliche Tochter, Moons Schwester.
    »Hallo – Sky …«, sagte sie und es erleichterte mich zu hören, dass sie ebenfalls nervös war. Dabei war ich es doch, die geschrieben hatte, dass wir uns bald einmal – Mut zur Tat – treffen sollten.
    Aber jetzt war sie es, die ein Treffen vorschlug.
    »Es ist wegen meiner – Urgroßmutter«, erklärte sie eine Spur verlegen. »Oder
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher