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Wen der Rabe ruft (German Edition)

Wen der Rabe ruft (German Edition)

Titel: Wen der Rabe ruft (German Edition)
Autoren: Maggie Stiefvater
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gerecht?«
    »Das ist der Inbegriff von Gerechtigkeit, Gansey. So sieht die Realität nun mal aus. Hier an diesem Ort geht es um nichts anderes als um das, was wirklich ist. Um das, was recht ist.«
    Aber Gansey kam das alles einfach nur grundfalsch vor. Es war, als betrachtete er die Wahrheit von der verkehrten Seite. Er starrte und starrte darauf und sah dennoch nichts als einen toten jungen Mann, der eine furchtbare Ähnlichkeit mit Noahs verstümmeltem Skelett hatte. Und dann Adam, der sich äußerlich kein bisschen verändert hatte, und doch – Gansey meinte, etwas in seinen Augen zu erkennen. In dem Zug um seinen Mund.
    Gansey spürte einen schlimmen Verlust auf sich zukommen.
    Schließlich waren auch Blue und Ronan aus dem Baum getreten und Blue schlug sich die Hand vor den Mund, als sie Whelk sah. Ronan hatte eine hässliche Beule an der Schläfe.
    Gansey sagte nur: »Er ist tot.«
    »Ich finde, wir sollten von hier verschwinden«, sagte Blue. »Erst das Erdbeben und dann diese Tiere und … ich weiß nicht, wie viel davon auf mein Konto geht, aber es ist alles so …«
    »Ja«, sagte Gansey. »Wir müssen hier weg. Was wir mit Whelk machen, können wir auch noch entscheiden, wenn wir aus dem Wald raus sind.«
    »Wartet.«
    Diesmal hörten sie alle die Stimme. Und es war kein Latein. Niemand regte sich und so taten sie unwillkürlich genau das, worum die Stimme gebeten hatte.
    »Junge. Scimus quid quaeras.«
    (»Junge. Wir wissen, wonach du suchst.«)
    Obwohl die Worte der Bäume sich an jeden außer Blue hätten richten können, hatte Gansey das Gefühl, dass sie allein für ihn bestimmt waren. Er fragte laut zurück: »Wonach suche ich denn?«
    Als Antwort ertönte ein Schwall von Latein, in dem die Wörter regelrecht übereinanderpurzelten. Gansey verschränkte die Arme, die Hände zu Fäusten geballt. Alle blickten Ronan an und warteten auf seine Übersetzung.
    »Sie sagen, es hätte schon immer Gerüchte über einen König gegeben, der irgendwo auf diesem Geisterweg begraben liegen soll«, sagte Ronan und sah Gansey fest in die Augen. »Sie glauben, er könnte dir gehören.«

48
    A n einem sonnigen Tag Anfang Juni begruben sie Noahs sterbliche Überreste. Die Polizei hatte Wochen gebraucht, um alle Beweise zu sichern, und so hatte die Beerdigung nicht vor Ende des Schuljahrs stattfinden können. Doch in der Zwischenzeit hatte sich einiges ereignet. Gansey hatte sein Notizbuch von der Polizei zurückerhalten und die Rudermannschaft verlassen. Ronan hatte seine Prüfungen knapp bestanden und war weniger knapp daran gescheitert, das Schloss der Wohnungstür zu reparieren. Adam war, vermutlich mit Ronans Hilfe, aus dem Monmouth in ein von der St.-Agnes-Kirche bereitgestelltes Zimmer gezogen, eine geringe Distanz, die die Freundschaft der beiden Jungen auf mehrere Weisen beeinflusste. Blue hatte mit Begeisterung die Ferien und die damit verbundene Freiheit begrüßt, die ihr erlauben würde, die Ley-Linie genauer zu erkunden. Henrietta war von insgesamt neun Stromausfällen und fast halb so vielen Zusammenbrüchen des Telefonsystems heimgesucht worden. Maura, Persephone und Calla hatten den Dachboden von Neeves Sachen befreit. Sie hatten Blue erzählt, dass sie immer noch nicht ganz sicher waren, was in jener Nacht, als sie die Spiegel umgestellt hatten, geschehen war.
    »Wir wollten ihr bloß die Macht rauben«, hatte Persephone erklärt. »Stattdessen haben wir sie anscheinend verschwinden lassen. Aber gut möglich, dass sie irgendwann wieder auftaucht.«
    Ganz langsam hatten ihre Leben wieder zu einer Art Gleichgewicht gefunden, wenn es auch nicht so schien, als würde jemals wieder Normalität einkehren. Die Ley-Linie war wach und Noah so gut wie nicht mehr da. Magie gab es wirklich, Glendower gab es wirklich und irgendetwas hatte angefangen.
    »Jane, ich will ja nicht meckern, aber das hier ist eine Beerdigung«, sagte Gansey zu Blue, als sie über die Wiese auf sie zukam. Er und Ronan sahen in ihren tadellosen schwarzen Anzügen aus wie Trauzeugen.
    Blue, die keine passende Kleidung besaß, hatte hastig ein paar Bahnen billiger schwarzer Spitze auf ein grünes T-Shirt genäht, das sie vor ein paar Monaten zum Kleid umfunktioniert hatte. Sie zischte aufgebracht: »Besser ging es auf die Schnelle eben nicht!«
    »Als ob Noah das interessieren würde«, sagte Ronan.
    »Hast du wenigstens für nachher noch was anderes mit?«, erkundigte sich Gansey.
    »Ich bin ja nicht blöd. Wo ist
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