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Wen der Rabe ruft (German Edition)

Wen der Rabe ruft (German Edition)

Titel: Wen der Rabe ruft (German Edition)
Autoren: Maggie Stiefvater
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seit er herausgefunden hatte, dass dieser Noah getötet hatte, und er war überrascht über die Emotionen, die bei Whelks Anblick in ihm hochkochten. Besonders als ihm klar wurde, dass dies hier schon wieder ein Ritual war, mit einem neuen Opfer. Vor diesem Hintergrund brauchte er einen Augenblick, um Neeves Gesicht einzuordnen – der Abend im Fox Way. Neeve starrte ihn aus der Mitte der Schalen und Gegenstände, die zusammen ein Pentagramm formten, an. Sie wirkte bei Weitem nicht so verängstigt, wie er das von jemandem, der gefesselt im Zentrum eines diabolischen Symbols lag, erwartet hätte.
    Adam schwirrten mehrere mögliche Antworten durch den Kopf, doch als er schließlich den Mund öffnete, kam etwas ganz anderes heraus.
    »Warum Noah?«, fragte er. »Warum nicht irgendein schrecklicher Mensch?«
    Whelk schloss für eine einzige Sekunde die Augen. »Auf dieses Gespräch lasse ich mich nicht ein. Was machst du hier?«
    Es war offensichtlich, dass er nicht wusste, wie er mit Adams Anwesenheit umgehen sollte – was nur gerecht war, weil Adam genauso wenig wusste, wie er mit Whelks Anwesenheit umgehen sollte. Was er jedoch wusste, war, dass er ihn davon abhalten musste, die Ley-Linie zu wecken. Alles andere (Whelk die Waffe abnehmen, Neeve retten, Noah rächen) waren nur weitere Optionen. Mit einem Mal fiel ihm die Pistole seines Vaters in seiner Tasche wieder ein. Möglicherweise konnte er sie auf Whelk richten und ihn so dazu bringen, zu tun, was er wollte. Aber was genau war das eigentlich? In Filmen wirkte das alles immer so einfach: Wer im Besitz der Waffe war, hatte gewonnen. Aber in der Realität konnte er Whelk nicht mit der Waffe in Schach halten und ihn gleichzeitig fesseln, selbst wenn er irgendetwas gehabt hätte, mit dem er ihn hätte fesseln können. Was, wenn Whelk ihn überwältigte? Aber vielleicht konnte Adam das Seil um Neeves Handgelenke benutzen, um …
    Adam zog die Waffe hervor. Schwer und bösartig lag sie in seiner Hand. »Ich bin hier, um zu verhindern, dass so etwas wieder passiert. Binden Sie sie los.«
    Wieder sagte Whelk: »Verdammt.«
    Mit zwei Schritten trat er neben Neeve und hielt ihr das Messer an die Wange. Sie presste die Lippen aufeinander, kaum merklich. Er sagte: »Leg die Waffe hin, dann muss ich ihr nicht das Gesicht wegschneiden. Oder nein, wirf sie hier rüber. Und sicher vorher den Abzug, sonst erschießt du sie am Ende noch selbst.«
    Adam hatte den schleichenden Verdacht, dass er sich, wäre er Gansey gewesen, irgendwie aus dieser Situation hätte herausargumentieren können. Er hätte die Schultern gestrafft und eindrucksvoll ausgesehen und Whelk hätte gespurt. Aber er war nun mal nicht Gansey, und so war alles, was ihm zu sagen einfiel: »Ich bin nicht hergekommen, damit irgendjemand stirbt. Ich werde jetzt die Pistole wegwerfen, und zwar so, dass sie nicht mehr in meiner Reichweite liegt, aber auch nicht in Ihrer.«
    »Dann muss ihr Gesicht dran glauben.«
    Neeves Gesicht war ziemlich ruhig. »Wenn Sie das tun, verderben Sie das ganze Ritual. Haben Sie denn nicht zugehört? Ich dachte, Sie wären so interessiert an dem Prozess.«
    Adam hatte das beunruhigende Gefühl, etwas Seltsames zu sehen, wenn er ihr in die Augen blickte. Es war, als würden darin ganz kurz Maura, Persephone und Calla aufblitzen.
    »Na schön«, gab Whelk sich geschlagen. »Wirf die Pistole da drüben hin. Aber komm ja nicht näher.« Zu Neeve sagte er: »Was meinen Sie damit, ich würde es verderben? Ist das ein Bluff?«
    »Du kannst die Pistole ruhig wegwerfen«, beschied Neeve Adam. »Mir ist es recht.«
    Adam schleuderte die Waffe ins Gestrüpp. Er fühlte sich furchtbar dabei, und doch ging es ihm gleich besser, sobald er sie nicht mehr in der Hand hielt.
    Neeve sagte: »Und der Grund, warum das Ritual so nicht funktionieren wird, Barrington, ist, dass dafür ein Opfer nötig ist.«
    »Sie hatten doch auch vor, mich zu töten«, erwiderte Whelk. »Glauben Sie im Ernst, ich nehme Ihnen ab, dass es umgekehrt nicht genauso gut klappt?«
    »Ja«, antwortete Neeve. Sie wandte den Blick nicht von Adam. Wieder meinte er, etwas zu sehen, wenn er ihr ins Gesicht sah: eine schwarze Maske, zwei Spiegel, Persephones Gesicht. »Es muss ein persönliches Opfer sein. Mich zu töten, wäre sinnlos. Ich bedeute Ihnen nichts.«
    »Ich Ihnen doch genauso wenig«, entgegnete Whelk.
    »Aber das Töten schon«, sagte sie. »Ich habe noch nie jemanden getötet. Wenn ich Sie umbringe, gebe ich damit meine
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