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Das Echo Labyrinth 02 - Die Reise nach Kettari

Titel: Das Echo Labyrinth 02 - Die Reise nach Kettari
Autoren: Max Frei
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Der König von Bandscha
    I n meiner alten Heimat feiert man jetzt das neue Jahr. Hier in Echo schaut man eher zurück. Auf der Erde heißt es: »Alles Gute zum Neuen Jahr.« Hier sagen die Leute: »Schon wieder ein Jahr vergangen.«
    Ein, zwei Dutzend Tage vor dem Jahreswechsel wird ihnen bewusst, dass das Leben endlich ist, und sie wollen nachholen, was sie die ganze Zeit aufgeschoben haben. Sie erfüllen Versprechen, die sie sich oder anderen gegeben haben, bezahlen Rechnungen, wie es sich gehört, und stürzen sich freiwillig in alle möglichen Unannehmlichkeiten, um sich das neue Jahr nicht mit den Resten des alten zu verderben. In Echo beginnt im neuen Jahr angeblich alles von vorn. Jedenfalls ist der letzte Tag des Jahres auf keinen Fall ein Feiertag - eher ein Anlass, alles Mögliche anzufangen und gleich wieder aufzugeben.
    All diese Aufregungen blieben mir erspart. Sir Juffin Halli arbeitete an seinem Jahresbericht. Nachdem er zwei Tage daran gesessen hatte, schob er diese lästige Pflicht auf die breiten Schultern von Sir Schürf Lonely-Lokley. Ich musste nur die Rechnung im Gesättigten Skelett begleichen, was genau eine Viertelstunde dauerte. Auch anderswo zahlte ich immer bar. Nicht, dass ich unbedingt gegen den hiesigen Aberglauben verstoßen wollte - ich hoffte nur, die Berührung mit dem Metall würde meine Liebe tatsächlich abkühlen. Aber in meinem Fall klappte das einfach nicht.
    Die übrigen Unannehmlichkeiten hingegen blieben mir erspart, und die dumme Angewohnheit, Versprechungen zu machen, betraf mich ohnehin nicht. Also musste ich nur den Rest meines Gehalts bei der Bezügestelle abholen, wo der Kassierer mit dem Geld so umging, als würde es ihm die Hände verätzen.
    Danach musste ich die erschöpften Mienen meiner Kollegen ertragen, die neidisch ins Gesicht eines ausgeschlafenen Faulenzers schauten. In diesen Tagen war vor allem Sir Melifaro sehr beschäftigt. Er hörte sogar auf, Späßchen zu machen, und hatte zudem anscheinend etwas abgenommen.
    »Über die Arbeit und die übrigen Unannehmlichkeiten schweige ich lieber! Doch ich habe viele Verwandte und Freunde und ein so gutes Herz, dass ich nicht im Stande bin, ihnen abzusagen. Dabei habe ich zu wenig Sorgenfreie Tage, um all meine Versprechungen zu erfüllen. Nur verwaiste Asketen wie du, mein Junge, sind glücklich und frei«, sagte Melifaro bitter zu mir. Es war schon nach Mitternacht, vier Tage vor Jahresende. Ich begann gerade planmäßig meine Nachtwache, und Melifaro, der seinen Dienst im Morgengrauen angetreten hatte, ordnete einen Stapel sich selbst beschriftender Tafeln. Auf ihnen waren mindestens drei Jahre alte Verhörprotokolle und Briefe einer unbekannten Lady Assi verzeichnet. Melifaro schwor bei der Gesundheit seiner Mutter und allen friedlichen Magistern, er habe keine Ahnung, wer das sei. Der Arme kam in mein Büro geschlichen, um in angenehmer Atmosphäre eine Tasse Kamra zu trinken. Zu Hause warteten achtzehn Verwandte aus den fernsten Ecken des Vereinigten Königreichs auf ihn, denn er hatte sie alle irgendwann leichtfertig eingeladen. Ich begriff, dass ich den armen Jungen retten musste.
    »Melde dich per Stummer Rede bei ihnen und behaupte, dass ... na ja, dass zum Beispiel ein Attentat auf den Großen Magister Moni Mach vorbereitet wird und niemand außer dir dieses Verbrechen verhindern kann. Denk dir was aus. Und dann geh zu mir nach Hause und schlaf ein wenig. Ich hab zwar nur vier Badewannen und zwei Katzen, aber man sollte sich für das kleinere Übel entscheiden ...«
    Melifaro unterbrach mich. »O Herrscher der endlosen Ebenen! Ab heute gehört mein Leben dir, weil du es gerettet hast! Max, du bist ein Genie. Jetzt erkenne ich den Wert der Männerfreundschaft.« Melifaro verwandelte sich aus einem Schatten seiner selbst in die vertraute Naturkatastrophe zurück und hüpfte sogar leicht auf seinem Stuhl.
    »So ein Quatsch!«, meinte ich ungehalten. »Du kannst bei mir übernachten, solange du willst. Ich vertrete dich morgen, falls du dich noch nicht erholt hast.«
    »Mich vertreten!? Verzeih, Max, aber das ist unmöglich. Obwohl ... na ja, eigentlich geht das doch ... was soll's? Jedenfalls vielen Dank.«
    »Für dich tu ich doch alles. Ich bin ein Gewohnheitstier, und wenn ich dich in so einem Zustand sehe, rechne ich mit dem Weltuntergang. Mein Angebot gilt, bis deine Verwandten die Segel streichen.«
    »Das ist übermorgen. Dann fahren sie auf unser Gut, um meine Eltern zu quälen, aber das ist zum
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