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Weltraumpartisanen 27: Pandora-Zwischenfall

Weltraumpartisanen 27: Pandora-Zwischenfall

Titel: Weltraumpartisanen 27: Pandora-Zwischenfall
Autoren: Mark Brandis
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auf dem Schemel neben dem Rezeptator und stützte ihr Gesicht auf die Hände. Ich sah das Entsetzen in ihren Augen - das Entsetzen darüber, was sie angerichtet hatte.
    „Warum haben Sie es getan, Olga?“ fragte ich leise. „Wegen Dr. Benzinger?“
    Sie wiegte ein wenig den Kopf.
    „Doch ja, auch wegen Dr. Benzinger.“
    „Aber das war nicht der Hauptgrund?“
    „… Ich wollte Ihnen helfen, Commander. Ich wollte uns allen helfen. Es gab keinen anderen Weg. Ich tat es heute früh, als ich den Morgentrunk ausgab.“
    Ich warf einen Blick auf den Rezeptator.
    „Sie verringerten die Antigerontin-Dosis?“
    Sie weinte lautlos. Sie weinte, ohne zu schluchzen. Aber die Tränen liefen ihr über das Gesicht.
    „Ich ließ es völlig weg.“
    Ich fürchtete, Olga Orlow würde zusammenbrechen. Sie hatte viel Mut aufbringen müssen, um zu tun, was sie getan hatte, und nun war sie am Ende ihrer Kraft. Sie hatte das Projekt Astralid zerstört und trug schwer an der Schuld. Ich wollte ihr einen Arm um die Schulter legen, um sie zu stützen, um sie zu trösten, um ihr zu danken. Aber Captain Mboya hatte das bereits getan. Er hatte seinen Arm um Olga Orlows Schulter gelegt und redete beruhigend auf sie ein.
    „… Es ist ja vorbei, Olga. Nicht weinen. Alles wird gut werden. Nicht weinen!“
    Hinter meinem Rücken brach jemand in ein Höllengelächter aus.
    Ich fuhr herum.
    Professor Jago stand mitten in der Mensa.
    Als er irgendwann eintrat, hatte ich es nicht bemerkt. Was Olga Orlow uns anvertraute, hatte er mitangehört. Sein Blick wanderte hin und her, hin und her: von Olga Orlow zum Rezeptator, vom Rezep-tator zu den toten Mustern - und dann erneut zu Dr. Benzingers Assistentin, die seinem Lebenswerk den Todesstoß versetzt hatte. Und die ganze Zeit über lachte er hysterisch.
    Als ich seine Augen sah, wußte ich Bescheid.
    Wahrscheinlich war er schon früher krank gewesen. Dr. Benzinger hatte es angedeutet. Aber nun hatte Professor Jago vollends den Verstand verloren. Er war wahnsinnig.
    Sein Lachen ging über in ein krampfhaftes Schluchzen, und dann setzte sich Professor Jago zwischen seine toten Muster auf die Flurplatten und fing an zu brabbeln.
    „Meine Gene, deine Gene - keine Gene… “
    Olga Orlow war aufgesprungen.
    Auch von Professor Jago ging keine Gefahr mehr aus. Es gab das Projekt nicht mehr, und PANDORA war wieder die verschlossene Büchse. Die Welt durfte aufatmen - aber wahrscheinlich tat sie es nicht, sondern ließ es zu, daß bereits ein anderer zum nächsten welt-und menschheitsbedrohenden Experiment schritt…
    Ich nickte Dr. Benzingers Assistentin zu.
    „Professor Jago braucht ein Bett und sehr viel Ruhe“, sagte ich. „Würden Sie sich darum kümmern?“
    Olga Orlow wischte sich eine Haarsträhne aus der Stirn.
    „Ich glaube, eine neue Aufgabe wird mir guttun, Commander“, erwiderte sie.

19. Auszug aus Martin Seebecks „Pandora-Report“
    Mandschu I, die VOR-Sonde, „schlummerte“. Sie hatte sich dem Cunningham -Kometen ins Genick gesetzt und ließ sich von ihm mitschleppen, was ihr erlaubte, Treibstoff zu sparen.
    Die Sonde war ausgerüstet mit einem in Japan gebauten elektronischen Verstand. Mehr als eine Million Verhaltensweisen, in tausendmal mehr Modellversuchen durchgespielt, waren darin gespeichert.
    Der Cunningham spürte nichts von dieser Laus in seinem Pelz. Unbeirrt zog er seine Bahn durch das System der Milchstraße. Irgendwann erwachte die schlummernde Sonde zu neuer Aktivität. Sie entsann sich ihrer ursprünglichen Aufgabe, Erkundung des Alpha-Zentauri-Archipels, und schwebte auf.
    Ein letztes Mal umkreiste sie, knapp über dem Boden fliegend, den Kometkopf, und ihr gläsernes Kameraauge tastete das Gelände ab.
    Camp Astralid lag wie ausgestorben. Nichts rührte sich darin. Auf der Rampe stand ein startklares schnelles Schiff, aber von einer möglichen Besatzung war weit und breit nichts zu sehen.
    Zwischen den Felsen lag ein ramponierter Arbeitsroboter vom Typ Engineer.
    Die Sonde ließ ihr Triebwerk anspringen, um wieder auf eigenen Kurs zu gehen. Und zugleich übertrug sie die Bilder, die sie aufnahm, an ihre Leitstelle im fernen Hongkong.
    Der Feuersturm des Triebwerks brachte das Geröll in Bewegung und ließ hier und da das Eis schmelzen. Aus einem Eisfeld löste sich so etwas wie eine menschliche Gestalt, und das Auge der Kamera richtete sich auf ein mumifiziertes Greisengesicht.
    Einen Atemzug später war das Eis wieder glatt und dicht.
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