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Weltraumpartisanen 27: Pandora-Zwischenfall

Weltraumpartisanen 27: Pandora-Zwischenfall

Titel: Weltraumpartisanen 27: Pandora-Zwischenfall
Autoren: Mark Brandis
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1.
    Gregor Chesterfield lag schwer und schlaff auf meiner Schulter, und sein warmes Blut rann mir über die Hände, mit denen ich ihn hielt. Ich keuchte vor Anstrengung, meine Beine waren schwer wie Blei. Ich bekam es zu spüren, daß ich nicht mehr der Jüngste war. Die doppelte Anstrengung - einen Verwundeten zu tragen, der immer wieder die Besinnung verlor, und zugleich um das Leben zu laufen - trieb mir schwarze Nebel vor die Augen.
    Als ich mich in den Aufzug zwängte, war ich zu Tode erschöpft, aber wenn ich nicht aufgeben wollte, mußte ich noch eine Weile durchhalten.
    Ich berührte den Knopf mit dem S.
    Der Buchstabe stand für Schleuse. Durch die Schleuse gelangte man in den zur Plattform gehörenden kleinen Kutter, der zum Antennenziehen benutzt wurde. Mit etwas Glück sollte man damit eine andere Plattform erreichen. Auch der Ikarus konnte nicht allzu weit entfernt sein. Ich konnte nur hoffen, daß sich im Kutter zumindest ein Handbuch befand. Die Flucht war in keiner Weise vorbereitet.
    Chesterfield atmete stoßweise. Er benötigte dringend einen Arzt, aber von den Ärzten, die es auf dieser Plattform gab, hatte er keine Hilfe zu erwarten. Die Ärzte standen zu Professor Jago.
    Der Aufzug setzte sich mit einem Ruck in Bewegung. Ein Deck nach dem anderen zog vorüber. Ich lehnte mich mit der linken Schulter gegen die Wand. Der Junge murmelte etwas, was ich nicht verstand.
    „Ruhig, Gregor“, beschwichtigte ich ihn, „es ist gleich überstanden. Ich bringe dich hier raus.“
    Aber er sagte nichts mehr. Er hatte schon wieder das Bewußtsein verloren.
    Der Aufzug war am Ziel. Die Tür fuhr auf. Vor mir lag das Schleusendeck. Es war leer, nirgends ein Mensch zu sehen. Fünfzig Schritt mußte ich noch durchhalten, danach, hinter dem Steuer des Kutters, durfte ich aufatmen.
    Ich zwängte mich aus der Kabine und rannte los. Kaum war ich aus dem Aufzug heraus, setzte er sich abwärts in Bewegung.
    Ich machte mir nichts vor. Inzwischen war längst Alarm gegeben worden. Das ganze Projekt Astralid stand gegen uns. Für den, der sich ihm in den Weg stellte, kannte es kein Erbarmen.
    Ich keuchte den Gang entlang, am Treppenhaus vorüber, in dem nur die Notbeleuchtung brannte, der Schleuse entgegen. Es ging nicht mehr um Minuten, es ging um Sekunden.
    Fünfzig Schritte können zur Ewigkeit geraten. Ich taumelte und rang nach Luft. Durch das Oberlicht überschüttete mich der Orion-Nebel mit seinem kalten, unwirklich-gleichgültigen Licht. Nie war mir die Leere des Raumes so sehr bewußt gewesen; ich empfand sie als ungeheuerlich.
    Die Erde, jenes flimmernde Pünktchen im goldenen Gesprenkel, war nicht zu sehen, und das bedeutete, daß PANDORA Fahrt aufgenommen hatte, um sich in entlegenen Himmelsräumen eine neue gravitato-rische Delle zu suchen: dort, wo sie keine Störung zu befürchten brauchte. Das Projekt Astralid warf seine moralischen Fesseln ab, es zog seiner Vollendung entgegen.
    Als ich bei der Schleuse anlangte, zitterte ich vor Erschöpfung, aber was ich sah, verhieß alsbaldige Erlösung. Durch das geschliffene Bullauge des Lukendeckels blickte ich in das Innere des Kutters, der draußen startklar in den Magneten hing: auf die zerschlissenen Polster und das schmuddelige Steuerpult mit seinen unzähligen Brandflecken, die von den Zigaretten des nikotinsüchtigen Antennenmeisters herrührten. Der Kutter war weiß Gott kein Luxusklipper, aber seitdem ich ihm gelegentlich bei der Arbeit zugesehen hatte, wenn er im unermüdlichen Hin und Her die vom Meteroritenschlag beschädigten Antennen flickte, wußte ich, daß sich hinter seinem ramponierten Äußeren ein kräftiges und gesundes Herz verbarg.
    Noch einmal, bevor ich mich in die Polster fallen lassen konnte, galt es, ein halbes Dutzend Schritte zu tun. Ich legte die Hand auf die Kontaktplatte - und mir war, als gerönne mein Blut.
    Sie waren mir zuvorgekommen. Sie hatten sofort erraten, daß ich versuchen würde, mich des Raumkutters zu bemächtigen, und darum Vorsorge getroffen.
    Die Platte war tot. Ich mochte drücken, so viel ich wollte: Der Impuls sprang nicht über, der Lukendeckel rührte sich nicht.
    Der Lukendeckel konnte sich nicht rühren, denn die Klappe des unscheinbaren Transformatorengehäuses stand auf, und um festzustellen, daß darin die Sicherung fehlte, brauchte ich mich nicht erst zu bücken und nachzusehen.
    Die Flucht war zu Ende, noch bevor sie richtig begonnen hatte.
    Eine Weile stand ich wie gelähmt. Ich fühlte mich
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