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Weissbier im Blut - Ein Kriminalroman aus dem bayerischen Unterholz

Weissbier im Blut - Ein Kriminalroman aus dem bayerischen Unterholz

Titel: Weissbier im Blut - Ein Kriminalroman aus dem bayerischen Unterholz
Autoren: Joerg Graser
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Grundgehalt.«
    »Wie viel legen Sie noch drauf?«
    »Gar nichts. Dieser Klub gehört mir nicht mehr, Herr Kommissar. Ich hab verkauft und bin nur noch Geschäftsführer.«
    »Freiwillig?«
    »Sagen wir mal, an jemand, der nicht diskutieren wollte.«
    »Wieso sind sie dann überhaupt noch hier?«
    »Hier hab ich ein Dach über dem Kopf.«
    Kreuzeder wusste natürlich, dass mit diesem Ausdruck die russische Mafia gemeint war. Selbst in Branchen wie dem Handel mit Buntmetallen war ein Dach hilfreich. Dabei ging es nicht nur um Schutzgeld. Ohne ein Dach legten sich in Tschechien die Behörden schnell mal quer.
    »Haben die Vietnamesen auch ein Dach über dem Kopf?«
    »Wer weiß das schon?«
    »Kommen hier keine her?«
    »Manchmal. Die kriegen ja vierzig Prozent Rabatt. Gruppenermäßigung. Außerdem brauchen sie weniger Zeit. Das hat sich so rauskristallisiert.«
    »Gibt’s auch Kunden, die nach was anderem fragen?«
    »Fragen schon. Aber Drogen gibt’s bei mir nicht. Und Waffen auch keine. Auf so was lass ich mich gar nicht erst ein. Ich leg mich doch nicht mit der Justiz an.«
    »Und dass einer einen Vertrag machen will für einen Umzug?«
    »Da fällt bei mir der Vorhang.«
    »Sie haben aber doch Verbindungen zu den Russen.«
    »Die Russen sind an Umzügen nicht mehr sonderlich interessiert. Die Albaner haben die Preise kaputt gemacht. Für einen Tausender macht nicht mal ein Weißrusse oder ein Ukrainer den Finger krumm.«
    »Wie kommt man denn an die Albaner ran?«
    »Was fragenS’ da mich? Ich mach einen Bogen um die. Die Albaner und die Russen vertragen sich nicht besonders.«
    »Aber Anfragen kriegen Sie?«
    »Natürlich. Was glauben Sie, was da für Clowns daherkommen. Seit sich das rumgesprochen hat, dass ein Hit hier nur mehr einen Tausender kostet, hab ich an der Bar die reinste Klagemauer. Auf diesem Hocker, den Sie jetzt bevölkern, ist mal einer gesessen, dem hat die laute Musik von seinem Nachbarn gestunken. › Ich kann das Gedudel nicht mehr hören ‹ , hat er gesagt, › mir ist jetzt alles wurscht. Ich will, dass eine Ruh ist, und dafür lass ich auch einen Tausender springen. ‹ So sind die Menschen, Herr Kommissar. Ich hab ihm natürlich gesagt, dass er seinen Rausch ausschlafen soll. Das sag ich allen, die mit so was daherkommen.«

36
    In ihrem ersten, inzwischen dem Reißwolf anvertrauten Gutachten hatte Frau Dr. März die Ansicht vertreten, die Arbeitsvermeidung von Kommissar Kreuzeder sei im Grunde eine Strategie zur Stressabwehr. Nun zog sich sowohl die Kur des Dezernatsleiters als auch die Erkrankung des Kollegen Klotz ungewöhnlich lange hin. Da drängte sich natürlich der Verdacht auf, die beiden hätten aus den Erkenntnissen der Psychologin Rückschlüsse für ihren eigenen Berufsalltag gezogen.
    Das Vorbild in der Kunst der Stressvermeidung sah sich indessen durch die Abwesenheit der beiden gezwungen, öfters als ihm lieb war, seine Dienststätte aufzusuchen. Aber er wusste es sich dort schon zu richten. Es war immer ein Kasten Weißbier im Morddezernat. Seitdem er spitzgekriegt hatte, dass die März sich mit der asiatischen Geistestradition beschäftigte, sprach er oft vom Meditieren. »Man muss auf den Grund schauen«, war seine Rede. Damit war freilich der Grund des Weißbierglases gemeint. Den sieht man schließlich erst, nachdem man das Glas geleert hat. In diesem Sinne hatte er schon zwei oder drei Meditationsrunden hinter sich, als die März ihn im Dezernat aufsuchte. Auf seinem Schreibtisch stand ein Fernsehapparat, darin war eine Faschingssendung zu sehen. Dabei war es Hochsommer. Es war alles sehr merkwürdig. Ein Büttenredner war zugange, dessen Humor den Geist des Privatfernsehens atmete:
    »Immer wenn der Ferdl ins Schlafzimmer gekommen ist, hat seine Frau schon im Ehebett gewartet. Aber Ferdl hat sich gedacht, der schönste Körper hier drinnen ist doch der Heizkörper…«
    Ein Riesengelächter folgte auf diesen Witz, und die Kapelle spielte einen Tusch.
    »Bei seiner Frau hat der Ferdl keinen mehr hochgekriegt, da hat er im Stall die Schafe…«
    Der Rest des Satzes ging im Gewieher und Gejohle des Publikums unter. Ein dreifacher Tusch belohnte den Verseschmied für seine Dichtkunst. Die März schaltete das Gerät aus.
    »Was ist denn das?«
    »Fasching.«
    »Mitten im August?«
    »Das ist ein Video.«
    »Und so was schauen Sie sich an? Ich finde das höchst besorgniserregend.«
    »Es heißt immer, dass die Leut sich im Fasching maskieren. Dabei ist das Gegenteil
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