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Weissbier im Blut - Ein Kriminalroman aus dem bayerischen Unterholz

Weissbier im Blut - Ein Kriminalroman aus dem bayerischen Unterholz

Titel: Weissbier im Blut - Ein Kriminalroman aus dem bayerischen Unterholz
Autoren: Joerg Graser
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lassenS’ nur.«
    Kreuzeder klappte seinen Geldbeutel auf. Er mochte diese Frau, jedenfalls solange sie auf der anderen Seite des Tisches blieb. Sie zog den Zettel zu Rate, auf dem sie ihre Rechenkunst ausgeübt hatte.
    »So. Das wär jetzt der Schweinsbraten gewesen, fünfWeißbier und sechs Obstler.Macht zweiunddreißig Euro zwanzig.«
    »Vierunddreißig.«
    »Die Firma dankt.«
    Als sie rausgab, kam Becker wieder in Schwung.
    »Hab ich das richtig gehört? Sechs Obstler? Wollen Sie jetzt in diesem Zustand Auto fahren?«
    »In was für einem Zustand?«
    »Das kommt in Ihre Akte, Herr Kreuzeder. Und zwar alles. Und jetzt nehmenS’ ein Taxi und das zahlenS’ gefälligst selber.«

2
    Es dauerte noch eine Weile, bis das Taxi eintrudelte. Der Fahrer war nur schwer für den Auftrag zu begeistern, nachdem er die Alkoholfahne gerochen hatte. Er legte vorsichtshalber eine Tüte neben seinen Passagier auf den Rücksitz. Becker verzog sich erst, als der Wagen außer Sichtweite war. Seitdem er zum Kriminaloberrat befördert und Leiter des Morddezernats geworden war, hatte er sich nur noch selten persönlich an einen Tatort bemüht. Die Nerven spielten nicht mehr mit. Er verlegte sich darauf, seine Untergebenen anzutreiben, und führte sogenannte Qualitätskontrollen ein. Er verlangte ausführliche Protokolle von seinen Mitarbeitern und verfasste Beurteilungen. Aber je schlechter die Noten waren, die er Kreuzeder verpasste, desto dünner wurden dessen Berichte. Manchmal war auf seinem Diktiergerät, das er der Sekretärin auf den Tisch legte, nur noch ein Schnaufen zu hören.
    Die Fahrt mit dem Taxi führte ihn zweiunddreißig Kilometer in den Bayerischen Wald hinein, vorbei an Wiesenhügeln und Fichtenwäldern, an Möbelhäusern und Baumärkten, und durch Dörfer mit Kirchen, Wirtshäusern, Edeka, Aldi, Norma, Lidl, Penny, Netto, Real oder Rewe. In Rechenbrunn gab es außerdem noch eine Tankstelle. Der Ortsteil Kressenau bestand aus einzelnen, über Feldwege erreichbaren Bauernhöfen, die über Hügel und Waldlichtungen verstreut waren. Schließlich kamen sie nicht mehr weiter. Die Zufahrt zum Hof Nummer dreieinhalb war mit Autos vollgestellt. Kreuzeder musste sich zu Fuß hinbequemen. Der Taxifahrer war erleichtert, dass die Tüte keine Verwendung gefunden hatte und er ordentlich bezahlt wurde, und brauste sofort davon.
    Der Hof war uralt, unten aus Granitsteinen und oben aus von Sonne und Wind über Jahrhunderte schon fast schwarz gegerbtem Holz. Kann auch sein, dass es von etlichen Altölanstrichen so dunkel war. Er stand trotzig und stolz auf einer Anhöhe. So was gab es nur noch selten im Bayerischen Wald. In den Sechziger- und Siebzigerjahren waren die Leute hier durch Urlauber aus dem Ruhrgebiet zu Geld gekommen und hatten ihre alten Waldlerhäuser weggerissen. Vielleicht waren die Bewohner dieses Hofs zu misstrauisch gewesen, um »die Fremden« zu beherbergen. Jetzt standen hier überall Neugierige herum und Polizisten, die die Neugierigen am Weitergehen hinderten. Den Kreuzeder wollten sie natürlich auch nicht durchlassen, schon wegen seiner Fahne, aber er hat seinen Dienstausweis gezückt.
    »Mordkommission Passau. Wie schaut’s aus?«
    »Keine Ahnung. In der Scheune hat’s einen derbröselt. Mehr weiß ich auch nicht.«
    »Mhm.«
    Die Kollegen von der Spurensicherung, weithin erkennbar an ihren Marsanzügen, waren schon fleißig dabei, den Tatort zu inspizieren und alles zu fotografieren. Sogar ein Huhn, dessen weißes Federkleid mit getrockneten Blutspritzern gesprenkelt war, wurde eingefangen und mehrerer Federn beraubt. Die Scheunenwand war von innen her eingedrückt, offensichtlich durch den staubigen alten Mähdrescher, der zur Hälfte im Freien stand, mit dem zersplitterten Holz unter den Rädern. Zwischen den niedergewalzten Brettern ragte ein Arm hervor. Die Finger der Hand waren gespreizt. Ein paar schwarze Lederfetzen im Dreck könnten einmal zu einer Aktentasche gehört haben. Kreuzeder entdeckte den Geländewagen des Gerichtsmediziners. Der Arzt lehnte an der Seitentür und rauchte ein Zigarillo.
    »Wo ist denn der Rest von der Leiche?«
    »Vermutlich im Mähdrescher.«
    »Also Gulasch.«
    »Wohl mehr eine Roulade. Diese Maschinen machen doch so Bündel. Wir warten auf den Mann, der das Ding aufschraubt. Dann darf ich alles abkratzen und einsammeln.«
    »Mahlzeit.«
    »Ich bin Pathologe geworden, weil mir die Kranken auf die Nerven gegangen sind. Als Arzt hast du ja den ganzen Tag nur mit Kranken
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