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Weissbier im Blut - Ein Kriminalroman aus dem bayerischen Unterholz

Weissbier im Blut - Ein Kriminalroman aus dem bayerischen Unterholz

Titel: Weissbier im Blut - Ein Kriminalroman aus dem bayerischen Unterholz
Autoren: Joerg Graser
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recht. Prost.«
    »Prost.«
    Die Gläser klirrten. Die Männer tranken. Der Freyunger Polizist kam herein. Er hatte einen Zettel in der Hand.
    »Also das Auto gehört einem Herrn Brodl.«
    Der Bauer verfiel wieder ins Murmeln.
    »Brodl gibt’s da mehrer.«
    Wobka warf einen Blick auf seinen Zettel.
    »Brodl Otto. Der war in der Sparkass tätig.«
    Das Murmeln wurde immer brummiger und war nur mehr mit Mühe zu verstehen.
    »Der Brodl Otto. Da schau her. Ja, ja. Ja so was.«
    Kreuzeder stellte sein Glas wieder auf den Tisch.
    »Was könnt denn der hier gewollt haben?«
    »Keine Ahnung.«
    »HabenS’ Schulden?«
    »Schulden? Nicht direkt. Ein bisserl vielleicht. Wieso?«

3
    Ein paar Tage gingen ins Land, bis Kreuzeder wieder im Dezernat auftauchte. Es war gegen elf Uhr vormittags. Er trug einen alten Nadelstreifenanzug, der den Charme eines Staubfängers aus einem Import-Export-Laden in Bahnhofsnähe ausstrahlte. Der Stoff war entweder dunkelblau oder schwarz, so genau war das nicht auszumachen. Mit seinen fettigen schwarzen Haaren, die ihm in sein unrasiertes bulliges Gesicht hingen, sah er darin aus wie ein aus den Fugen geratener Schwergewichtler, dem die Preisgelder, die er sich zusammengeboxt hatte, in den Fingern zerronnen waren. Er machte sich einen Kaffee, verzog sich damit an seinen Schreibtisch und vertiefte sich in das Heimatblatt, die Passauer Neue Presse.
    Kriminaloberrat Becker hatte Wind vom Erscheinen seines Untergebenen bekommen, vielleicht hatte er ihn gerochen, jedenfalls hatte er sich mit einer Akte unterm Arm in dessen Büro begeben und beobachtete ihn eine ganze Weile stumm. Dabei bekam sein Haupt allmählich Farbe. Als es dunkelrot mit einem bläulichen Schimmer geworden war, brach er sein Schweigen.
    »Also, ich hab hier eine Akte, da steht alles drin, Ihre Verfehlungen von den letzten zwei Jahren. Da zeichnet sich ein Bild ab, das ist unfassbar. So was darf’s eigentlich gar nicht geben. Ich fass einmal stichpunktartig zusammen. Sie kommen und gehen, wann Sie wollen. Manchmal bleiben Sie wochenlang dem Dienst fern.«
    »Mit ärztlichem Attest.«
    »Also ich bitt Sie, was sollen wir mit diesen Attesten anfangen? Da steht immer nur drauf Kreislaufstörung oder Vertigo. Ich weiß genau, was Vertigo heißt.«
    »Umso besser.«
    »Das soll vielleicht medizinisch klingen. Aber Vertigo heißt Schwindel. Und letztlich heißt das nichts anderes, als dass Sie Ihren Rausch ausschlafen.«
    »Soll ich vielleicht betrunken in den Dienst kommen?«
    »Das machen Sie sowieso dauernd. Wenn Sie einmal zur Arbeit erscheinen, dann sindS’ ziemlich angeheitert, gell, pöbeln alle Leute an, mich, Ihre Kollegen, die Angehörigen von den Mordopfern. Da haben wir Beschwerden hier in Ihrer Akte, das ist ungeheuerlich. Ich brauch bloß aufschlagen, irgendwo. Hier zum Beispiel.«
    Er öffnete die Akte an einem der zahlreichen Merkzettel.
    »Da haben Sie zu der Frau eines höheren Beamten gesagt, sindS’ froh, dass sie ihn los sind, und spendierenS’ dem Mörder einen Schnaps.«
    »Weil’s wahr ist.«
    »So was sagt man nicht zu einer frischgebackenen Witwe, die unter Schock steht.«
    »Von wegen Schock. Die hat sich bloß nicht getraut, dass sie sich freut. Dabei war dieser Mord ein einziger Segen für sie.«
    Kreuzeder legte die Zeitung weg, spazierte zum Waschbecken, zog einen völlig zerknitterten schwarz-rot-goldenen Schlips aus der Jackentasche und band ihn sich mit einem schiefen Knoten um den offen stehenden Kragen.
    »Bei Ihnen stimmt was nicht im Kopf, Herr Kreuzeder. Ich muss Ihnen das einmal ganz offen sagen. EntschuldigenS’ schon. Sie haben viel zu lang im Morddezernat gearbeitet. Über zwanzig Jahre. Das kann einen Menschen schon aus der Bahn werfen.«
    »Ich muss jetzt leider los. Tut mir leid.«
    »Was haben Sie denn vor?«
    »Ich muss auf eine Beerdigung.«
    »Wer ist denn gestorben?«
    »Das Opfer.«
    »Der Fall Rechenbrunn?«
    »Genau.«
    Er fischte einen Kamm aus der Gesäßtasche, machte ihn nass und zwang damit seine Haare glatt nach hinten. Das machte es eher noch schlimmer. Jetzt sah er aus wie ein Verbrecher, der in Geldnot ist. Becker nickte.
    »Gut. Wenn Sie endlich mal ermitteln, da will ich Sie nicht länger aufhalten.«

4
    Auch über dieses Gespräch machte der Dezernatsleiter Becker eine Aktennotiz. Er war lange genug im Polizeidienst, um zu wissen, dass an höherer Stelle letztlich nur das zählte, was irgendwo in Buchstaben gegossen wurde. Im Ministerium in Landshut galt er als
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