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Weissbier im Blut - Ein Kriminalroman aus dem bayerischen Unterholz

Weissbier im Blut - Ein Kriminalroman aus dem bayerischen Unterholz

Titel: Weissbier im Blut - Ein Kriminalroman aus dem bayerischen Unterholz
Autoren: Joerg Graser
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dessen Regenmantel.
    »Das gibt’s nicht, dass der Hof überschuldet ist. Wieso auf einmal?«
    »Pscht.«
    »Aber wieso?«
    »Das kommt durch Brüssel, verstehenS’? Dadurch ist das Agrarland einfach weniger wert. Außerdem kommen auch noch die Beschlüsse von Hongkong dazu. Dadurch sinkt der Verkehrswert noch einmal.«
    »Was?«
    »Ich erklär Ihnen das morgen. Das sind Freihandelsabkommen, und zwar internationale. Und in der Praxis heißt das, dass wir unsere Landwirtschaft nicht mehr so subventionieren dürfen. Also nicht mehr so viele Zuschüsse. Und dadurch ist das Agrarland praktisch viel weniger wert. Weil so was müssen wir einpreisen.«
    »Du Drecksau!«
    »Das nimmst zurück!«
    Die beiden hatten sich im Handumdrehen mehr Aufmerksamkeit verschafft als der Pfarrer mit seiner Grabrede. Alle, die Witwe und die Angehörigen des Toten, seine Kolleginnen und Kollegen, Freunde und heimlichen Feinde, selbst der Geistliche und die Ministranten starrten auf den wütenden Bauern, der sich in den dunkelgrauen Regenmantel verkrallt hatte und immer lauter wurde. Sein Schimpfen gellte über den Friedhof.
    »Ihr wollt mir den Hof abzwicken, gib’s zu!«
    »Wir wollen gar nichts! Der Sparkass wär’s auch lieber, Sie könnten Ihre Hypotheken ganz normal tilgen, sodass wir um eine Versteigerung herumkommen!«
    »Was!?«
    »Lass aus!«
    »Hast du Versteigerung g’sagt, du Drecksau!? Hast du Versteigerung g’sagt!?«
    Der Bauer stieß wie ein wilder Stier mit dem Kopf gegen das Kinn des Sparkassenmenschen und brachte ihn zu Fall. Er wurde selber mit umgerissen, und schon kugelten die beiden über die Kieselsteine. Holzner gewann die Oberhand, kniete auf der Brust seines Verhandlungspartners und watschte ihn.
    »Der Hof ist immer schon der Holznerhof gewesen und des bleibt der Holznerhof und wenn ich ihn mit dem Gewehr verteidigen muss! Ihr seids ein Diebsgesindel! Ihr schwatzt die Bauern Hypotheken auf, um ihnen ihr Sach abzuzwicken! Aber nicht mit mir!«
    Es mussten dann schon ein paar kräftige Männer eingreifen, um die beiden zu trennen. Aber der wütende Bauer hörte nicht auf, um sich zu schlagen, und strampelte wie ein Maikäfer, als er fortgetragen wurde. Dabei schrie er unentwegt.
    »Ich bin der Holznerbauer! Habts des verstanden? Der Holznerbauer bin ich! Und wennds ihr mich weghaben wollts von meinem Hof, dann nur als Leich! Aber da gehen einige von euch mit, das lassts euch g’sagt sein!«
    Das Geschrei ebbte erst ab, nachdem er außerhalb des Friedhofs fallen gelassen wurde und davonschlich. Der Herr Fuchs, so hieß der Sparkassenangestellte, hatte sich bereits wieder aufgerappelt, wischte den Schmutz von seinem Regenmantel und murmelte:
    »So eine Sauerei.«
    Dann ging alles wieder seinen Gang. Die Witwe nahm die noch ausstehenden Beileidsbekundungen aufgewühlt entgegen. Und auch Kreuzeder schüttete ein Schäuflein Erde in die Grube, drückte der Frau Brodl die Hand und brummte:
    »Das ist alles sehr, sehr traurig.«

5
    Der Leichenschmaus fand im Vereinsheim der Spielvereinigung Oberkirch statt, die immerhin in der Bezirksoberliga kickte. Es war ein renovierungsbedürftiger Kasten im kühlen Chic der Siebzigerjahre, mit Resopaltischen und furnierter Theke. Aber es gab eine Vitrine mit bunten Wimpeln und Pokalen, und an den Raufasertapeten prangten Bilder vom Beckenbauer, vom Papst Benedikt und von einer Fußballlegende aus dem Bayerwald, die einst für Schalke04 auf Torejagd gegangen war und mittlerweile immer noch im Ruhrgebiet lebte.
    Die Rauferei am Grab hatte die Stimmung merklich gehoben. Das Essen war auch reichlich und kostenlos wie das Bier und der Schnaps. Und das war natürlich ein Argument. So ist es doch noch eine schöne Leich geworden, bei der der Sparkassenangestellte Fuchs schließlich aufstand, seinen Regenmantel ablegte und brüllte:
    »Ruhe! Werd jetzt bald eine Ruh!«
    Es dauerte eine Weile, bis der Lärm so weit abebbte, dass er ihn übertönen konnte.
    »Der Otto ist bei der Sparkass gewesen wie ich. Aber sein Herz hat für die Spielvereinigung Oberkirch geschlagen. Wie meins. Er ist unser Kassenwart gewesen und als solcher unersetzlich. Er hat alles für den Verein gegeben, sogar seine ehelichen Pflichten hat er vernachlässigt. Wie oft ist er hier im Vereinsheim gesessen bis spät in die Nacht und hat gesagt: Was soll ich daheim? Mit dem Otto geht die Spielvereinigung unter und das darf nicht sein!«
    Ein Zwischenrufer überbrüllte das Getöse.
    »Mach halt du den
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