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Ich bin verliebt in deine Stimme

Ich bin verliebt in deine Stimme

Titel: Ich bin verliebt in deine Stimme
Autoren: Heinz G. Konsalik
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    Das bekannte Modeatelier ›chic‹ war eine der sogenannten ›guten Geschäftsadressen‹ Berlins. Jede Weltstadt verfügt über solche ›Häuser‹, sonst wäre sie keine Weltstadt. Das ›chic‹ in Berlin lag in der breiten Konstanzer Straße, die sich der unmittelbaren Nachbarschaft des weltberühmten Kurfürstendamms rühmen darf.
    Jeder Herr, jede Dame, alles, was sich zur eleganten Welt rechnete – ob zu Recht oder zu Unrecht, sei dahingestellt –, kannte das ›chic‹. Seine beiden großen Schaufenster waren von geschnitzten Holzrahmen eingefaßt, und ständig lockten Modeartikel erlesenster Art zum Kauf. Die Krönung bildete natürlich jeweils ein hinreißen des Kleid, das – kunstvoll auf ein vergoldetes Sesselchen geworfen – den Eindruck erweckte, als hätte es seine Besitzerin soeben erst abgelegt. Einen Teil des linken Schaufensters beherrschte eine gläserne Figur, deren von innen erleuchteter Leib durch die zarten Gebilde von Organdy, Tüll und Georgette schien und den Zauber der Stoffe, Farben und Schnitte noch erhöhte.
    Für nicht wenige Damen der Berliner Gesellschaft war es selbstverständlich, mindestens zu jeder Saison, noch besser aber zu jeder Festlichkeit ein neues Kleid vom Salon ›chic‹ zu tragen. Das führte dazu, daß in den Räumlichkeiten der Firma zwar keineswegs der Rubel, aber jede westliche Währung – hauptsächlich natürlich die D-Mark – rollte. Daß dies zum Wohlgefallen des Besitzers geschah, läßt sich vermuten. Er hieß Ralf Petermann.
    Ralf Petermann war 32 Jahre alt. Der berufliche Erfolg, den er verzeichnen konnte, war ihm also schon recht früh in den Schoß gefallen – nein, so durfte man nicht sagen, in den Schoß gefallen war ihm nämlich nichts, sondern nur harte Arbeit hatte ihn dahin gebracht, wo er heute stand. ›Heute‹ meint das Jahr 1962, eine Zeit also, in der die Automatisierung in den Fernämtern der Bundespost noch nicht das berühmte, vielbesungene, manchmal allerdings auch berüchtigte ›Fräulein vom Amt‹, ohne dessen Vermittlung kein Ferngespräch zustande kommen konnte, verdrängt hatte.
    Ralf Petermann war nicht nur ein tüchtiger und fleißiger Chef, sondern auch ein sehr gutaussehender. Groß, schlank, blond, intelligent – ein Ladykillertyp. Nur machte er davon keinen übermäßigen Gebrauch. Die Arbeit lasse ihm dazu keine Zeit, pflegte er zu sagen. Daß er in gewissen Abständen in seinem Schlafzimmer entsprechende, aber stets wechselnde Gesellschaft hatte, entsprang einem physischen Erfordernis, nichts anderem. Zu einer Verlobung oder gar Heirat war es also nie gekommen.
    Seine finanziellen Verhältnisse hatten es ihm erlaubt, sich in Dahlem einen Bungalow zu bauen, der geradezu danach schrie, nicht von einem Mann allein bewohnt zu werden. Diese Ansicht vertraten jedenfalls zahlreiche junge – und auch nicht mehr ganz junge – Damen und legten ihre Fallstricke nach dem erfolgreichen Modeschöpfer aus. Sie versprachen sich davon nicht nur, daß er die leere Hälfte ihres Bettes füllte, sondern auch, daß er keine Lücke in ihrem Kleiderschrank aufkommen lassen würde. Alle Bemühungen aber, den ersehnten Fisch an die Angel zu kriegen, waren bisher gescheitert. Im Bekanntenkreis begann dadurch sogar schon der Verdacht zu kursieren, daß ein ewiger Junggeselle mehr sich zu etablieren im Begriffe war. Doch die Leute irrten, denn im Buch des Schicksals stand geschrieben …
    »Fräulein!« bellte Ralf Petermann ins Telefon. »Fräulein, verdammt noch mal, was ist denn los, warum kriege ich keine Verbindung?«
    Er steckte in einem seiner in Berlin auch schon zu Ruhm gelangten Maßanzüge, saß auf der Kante seines breiten Schreibtisches im Zimmer hinter dem großen Atelier, in dem zwei Dutzend Nähmaschinen ununterbrochen surrten, in Gang gehalten von fleißigen Mädchenhänden, denen es oblag, des Chefs Träume in Seide, Taft, Samt und Tüll in die Wirklichkeit umzusetzen.
    »Fräulein …!«
    »Hören Sie mich nicht?«
    »Fräulein, Himmel Herrgott …«
    Die Wut eines Mannes, der sich von der Post im Stich gelassen fühlt, kann ordinäre Züge annehmen.
    »Fräulein, ich brauche eine Verbindung nach Hamburg, und was kriege ich? Nichts kriege ich, einen Scheißdreck kriege ich!«
    Nichts regte sich in Petermanns Hörer.
    »Hallo!«
    Petermann hämmerte auf die Gabel seines Apparats, unterbrach dadurch natürlich die Verbindung zum Fernamt – falls überhaupt eine solche bestanden hatte – und versuchte eine neue ins
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