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Weissbier im Blut - Ein Kriminalroman aus dem bayerischen Unterholz

Weissbier im Blut - Ein Kriminalroman aus dem bayerischen Unterholz

Titel: Weissbier im Blut - Ein Kriminalroman aus dem bayerischen Unterholz
Autoren: Joerg Graser
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Arbeitstier.
    Kreuzeder tuckerte nach Oberkirch. Rechenbrunn hatte keinen eigenen Friedhof. Alles, was wichtig war, der Fußballplatz, die Pfarrei, die Sparkasse, Aldi, das Dänische Bettenhaus und die letzte Ruhestätte, war im benachbarten Oberkirch. Rechenbrunn hatte nur die Tankstelle und einen Sendemasten.
    Erstaunlicherweise wurde ein Wägelchen mit einem Sarg über den Kiesweg gezogen. Kreuzeder hatte mit einer Urne gerechnet. Er hatte sich die Besichtigung der Überreste des Sparkassenangestellten erspart, aber den Gerichtsmediziner angerufen. Nach dem, was der ihm erklärt hatte, war das ein Fall fürs Krematorium. Die Identität von Otto Brodl ließ sich an einzelnen Zähnen und dem zerdellten Ehering feststellen. Aber die Witwe ließ es richtig krachen. Der Sarg war aus der Serie Wiener Barock und glänzte in der Mittagssonne wie eine Yacht. Da war entweder eine gewaltige Trauer im Spiel oder ein schlechtes Gewissen. Vielleicht war es aber auch nur die Vorfreude auf den Scheck von der Lebensversicherung.
    Der Kommissar kam ins Schnaufen, bis er das Häuflein der dunkel gewandeten Trauergäste, das hinter dem Sarg hertrottete, eingeholt hatte. Weiter vorne entdeckte er einen struppigen Haarschopf, der die Erinnerung an einen erlesenen Obstler in ihm wachrief. Der Haarschopf wippte ruckartig hin und her, offenbar redete der Mann munter auf seinen baumlangen Nachbarn, der trotz Sonne einen Regenmantel trug, ein. Seine Gewichtsklasse erlaubte es Kreuzeder, sich mühelos durchzudrängeln, bis er das Gespräch belauschen konnte.
    »Also, ich möcht da jetzt wirklich nicht drüber reden, Herr Holzner. Das war ja immerhin mein Kollege, der Tote. Und das ist jetzt nicht der Ort. Eine Pietät muss schon sein. KommenS’ morgen zu mir in die Sparkass.«
    »Nein, das möcht ich gleich wissen.«
    »Die genauen Zahlen hab ich sowieso nicht im Kopf. Ich kann Ihnen nur sagen, dass das mit einem weiteren Kredit nicht mehr so einfach ist. Auf welche Sicherheiten denn? Der Hof ist doch sowieso schon total überschuldet.«
    »Das gibt’s doch gar nicht.«
    »KommenS’ morgen in die Sparkass, dann reden wir.«
    Der Regenmantelträger tätschelte dem Bauern gönnerhaft den Buckel und setzte sich mit ein paar weit ausladenden Schritten von ihm ab. Die Trauergesellschaft versammelte sich vor einem frisch aufgeworfenen Erdhügel. Während der Sarg mit zwei Seilen in die Grube gelassen wurde, gab der Holzner erst einmal Ruhe. Aber in seinem Gesicht bildeten sich finstere Gewitterwolken. Der Geistliche stellte sich neben dem provisorischen Holzkreuz am Kopfende des Grabs in Position. Er blickte reihum und legte eine Hand beschwörend auf die Bibel, die er dabeihatte.
    »Jeden Tag, jede Minute, jede Sekunde geschieht irgendwo auf dieser Erde ein Mord. Im Irak kracht’s, in Afghanistan kracht’s, in Chicago kracht’s sowieso, überall kracht’s und jetzt auch in Rechenbrunn. So eine Zeit hat es schon einmal gegeben. Das war kurz vor der Sintflut. Das steht alles in der Heiligen Schrift.«
    Er klappte die Bibel auf, strich das Eselsohr glatt und las:
    »Da aber der Herr sah, dass der Menschen Bosheit groß war auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzens böse war immerdar, da reute es ihn, dass er die Menschen gemacht hatte. Und er sprach: ich will die Menschen, die ich geschaffen habe, vertilgen von der Erde!«
    Er schlug das Buch wieder zu und schaute die Anwesenden an. Die Wirkung, die er erzielt hatte, beschränkte sich auf zwei Kinder, die sich erschrocken an den Hosenbeinen ihres Vaters festhielten. Für die anderen hätte er auch irgendwo einen Rasensprenger aufstellen können.
    »Dann hat er die Sintflut geschickt. Nur Noah hat Gnade gefunden vor dem Herrn. Den hat er übrig gelassen mitsamt seiner Arche, wo seine Familie und obendrein noch ein Haufen Viecher drauf waren. Und wenn wir nicht umkehren, und wenn ihr euch nicht zamreißts und brav werdets, jeder Einzelne, dann ist es bald wieder so weit, und diesmal endgültig! Weil diesmal lässt er keinen mehr übrig, der Herr! Dann sagt er: Weg mit dem ganzen Glump! Menschheit, du hast von Anfang an nichts getaugt! Es ist fünf vor zwölf! Also tuts beten und reißts euch zam!«
    Der Holzner hat sich aber nicht mal am Grab zusammengerissen. Kaum hatten sich die Trauergäste aufgereiht, um ein Schäufelchen Erde auf den Sarg zu werfen und der Witwe Beileid murmelnd die Hand zu drücken, da schob er sich schon wieder neben den Kollegen des Toten und griff nach
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