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Die Schatten des Mars

Die Schatten des Mars

Titel: Die Schatten des Mars
Autoren: Frank W. Haubold
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Die gläserne Stadt
     
    Martin rannte.
    Von panischer Angst getrieben hastete der Junge an Geröllhalden und Felsgruppen vorbei in Richtung Tal. Er hielt auch nicht inne, als der Pfad steiler wurde und jeder Fehltritt den Sturz in die Tiefe bedeuten konnte.
    Etwas war hinter ihm her.
    Er wußte nicht, wie dieses Etwas aussah und was es von ihm wollte. Er wußte nur, daß es ihn nicht einholen durfte. Der Junge spürte die Nähe des Verfolgers, wagte es aber nicht, sich umzusehen.
    Die winzige rote Sonne war mittlerweile hinter dem Kamm des Felsengebirges verschwunden, und es wurde rasch dunkel. Immer öfter war Martin gezwungen, Hindernisse zu überspringen, weil er sie zu spät bemerkt hatte. Dennoch setzte er seine halsbrecherische Flucht mit unverminderter Geschwindigkeit fort.
    Nach einer plötzlichen Richtungsänderung des abwärts führenden Pfades wandelte sich der Charakter der Landschaft. Die Felswände wichen zurück und gaben den Blick auf das Tal frei, dessen Sohle allerdings tief im Schatten lag und keinerlei Einzelheiten erkennen ließ.
    Martin konnte seinen Verfolger weder sehen noch hören; dennoch war er überzeugt davon, daß er ihm nach wie vor dicht auf den Fersen war. Die Furcht ließ ihn jegliche Vorsicht vergessen, während er mit raumgreifenden Schritten dem Tal zustrebte.
    Feine Dunstschwaden stiegen auf und ließen die Landschaft vor ihm im Nebel verschwimmen. Den bernsteinfarbenen Streifen auf der gegenüberliegenden Seite des Tales registrierte der Junge zunächst nur beiläufig, bis ihm bewußt wurde, daß die Sonne längst untergegangen war: Es mußte eine andere Lichtquelle geben, die diese Erscheinung hervorrief. Martin lief weiter, obwohl der Nebel am Boden rasch dichter wurde. Der Untergrund schien jedoch fest und eben, und so sah er keinen Anlaß, sein Tempo zu vermindern. Im Gegenteil, das bernsteinfarbene Licht übte eine seltsame Anziehungskraft auf ihn aus und ließ ihn seine Schritte noch einmal beschleunigen.
    Als plötzlich der Boden unter ihm nachgab, wußte der Junge, daß seine Flucht zu Ende war.
    Im Fallen riß er die Arme nach vorn, doch der befürchtete Aufprall blieb aus. Statt dessen spürte Martin, wie sich die Geschwindigkeit seines Sturzes verringerte. Die ihm entgegenströmende Luft gerann zu einer elastisch-zähen Substanz, die seinen Fall aufhielt und ihn sanft nach unten schweben ließ.
    Über seine Umgebung und die Tiefe des Abgrunds konnte er allerdings nur Vermutungen anstellen. Nebel hüllte ihn ein und verhinderte jegliche Orientierung. Martin breitete die Arme aus und spürte, wie der Luftwiderstand stärker wurde.
    Einen Augenblick später lichtete sich der Nebel und gab den Blick auf die Schlucht frei.
    Ein Fluß! dachte Martin überrascht, dann spürte er auch schon Boden unter den Füßen und ließ sich zur Seite abrollen.
    Das Flußufer war nur ein paar Schritte vom Ort seiner Landung entfernt. Verblüfft starrte der Junge auf die dunkle Wasserfläche, die vollkommen reglos schien. Der Fluß war breit – so breit, daß er das jenseitige Ufer nur als schmalen, leuchtenden Streifen erkennen konnte. Die Nebelbank ließ keinerlei Rückschlüsse über die Tiefe der Schlucht zu. Der schmale Uferstreifen endete an einer senkrechten Felswand.
    Martin war gefangen. Seine Erleichterung über die gelungene Flucht wich einem Gefühl der Hoffnungslosigkeit. Am liebsten wäre er liegengeblieben, hätte die Augen geschlossen und darauf gewartet, an einem freundlicheren Ort zu erwachen ...
    »Hallo Martin!«
    Erschrocken fuhr der Junge auf und starrte in die Richtung, aus der die Worte gekommen waren.
    Der Fremde stand hinter einem kleinen Felsvorsprung; die dunkel gekleidete Gestalt hob sich kaum vom Schwarz der Wände ab. Sie war zu klein für einen Erwachsenen, kaum größer als er selbst.
    Aber die Stimme? Wo hatte er die schon einmal g e hört?
    »Du mußt keine Angst haben, Martin«, versicherte der Fremde. »Ich mache uns Licht.« Die Gestalt beugte sich nach vorn und legte etwas auf dem Boden ab. Es gab ein knisterndes Geräusch wie von einer elektrischen Entladung, und im nächsten Augenblick loderte zu Füßen des Fremden ein grün sprühendes Feuer auf.
    Martin war aufgesprungen, bereit, beim geringsten Anzeichen von Gefahr die Flucht zu ergreifen. Doch das einzig Bedrohliche an der zierlichen Gestalt des Fremden war die Maske, die sein Gesicht verbarg. Sie glänzte metallisch und wies zwei schmale Schlitze für die Augen und einen größeren in Höhe
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