Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weil du mich erloest

Weil du mich erloest

Titel: Weil du mich erloest
Autoren: Beth Kery
Vom Netzwerk:
als meine Mutter von einem Einkaufsgang in der Stadt, in der du aufgewachsen bist, zurückgekommen ist, konnte sie Helen nicht finden. Sie hat nach ihr gesucht und wurde immer beunruhigter. Sie hat deine Mutter dann schließlich hinter dem Haus in einem fast katatonischen Zustand gefunden, sie hat zusammenkauert wie ein Embryo auf dem Boden gelegen und nicht reagiert. Helen konnte nicht sprechen oder laufen, sie hat auch vertraute Gesichter nicht mehr erkannt. Meine Mutter hat den Arzt und die Polizei gerufen. Sie wurde untersucht, und dabei wurde festgestellt, dass sie kurz zuvor Geschlechtsverkehr gehabt hatte, außerdem hat man einige Blutergüsse an ihrem Körper entdeckt. Doch eine Vergewaltigung wollten sie es nicht gleich nennen. Helen konnte keine Aussage darüber machen, was vorgefallen war, außerdem war den Leuten in der Stadt schon einige Male seit ihrer Ankunft aufgefallen, dass sie sich sehr … unberechenbar verhalten hatte. Sie hätte sich die Blutergüsse auch bei einem Sturz oder bei einvernehmlichem, etwas rauerem Sex …«
    »Wie kann eine psychotische Frau ihr Einverständnis zu etwas geben, dessen sie sich gar nicht bewusst ist?«, unterbrach Ian ihn verärgert.
    »Ich berichte doch nur das, was die Polizei angenommen hat.« Luciens graue Augen blickten Ian so an, dass dieser seinen Mund wieder schloss. »Jedenfalls ist es nie zu einer Anklage gekommen.«
    »Sie wurde vergewaltigt«, stieß Ian mühsam aus.
    »Das denkt meine Mutter auch«, erklärte Lucien bedauernd. »Anders als die Polizei kannte sie die zyklischen Abläufe von Helens Schizophrenie. Sie hatte deine Mutter niemals zuvor dermaßen aufgelöst gesehen wie in dieser Zeit. Für meine Mutter hat festgestanden, dass Helen ein schweres Trauma erlitten haben musste. Nach dem Vorfall hat sie fast einen Monat lang nicht gesprochen. Und als meine Mutter dann bemerkt hat, dass Helen schwanger war, war sie überzeugt, sie könne das Kind nicht austragen, so geschwächt war sie. Alles weist darauf hin, dass Gaines, als Helen ihn zurückgewiesen hat, sie vergewaltigt hat. Es ist ja nicht so, dass es nicht glasklare Beweise dafür gibt, dass er das schon öfter getan hatte«, sagte Lucien frustriert.
    Ians Großmutter, die bei den anderen stand, lachte laut auf, und das Geräusch hallte in dem großen Raum wider. Es dauerte einige Sekunden, bis Ian das ihm vertraute Geräusch einordnen konnte.
    »Und neun Monate später hat deine Mutter ein Kind zur Welt gebracht«, schloss Lucien.
    »Jetzt verstehe ich, weshalb du nicht möchtest, dass deine Mutter mich sieht«, erklärte Ian einen Moment später. Er und Trevor Gaines sahen sich ja doch erstaunlich ähnlich. Man hätte sie für Zwillinge halten können, wären da nicht die unterschiedlichen Augen gewesen. Luciens Mutter wusste offenbar nicht, dass ihr Verführer und der Vergewaltiger von Helen ein und derselbe Mann waren. Wenn sie aber auf Helens Sohn treffen würde, käme diese Wahrheit ganz einfach und unübersehbar allein schon durch Ians Gesicht ans Tageslicht.
    »Doch, ich möchte schon , dass du meine Mutter eines Tages kennenlernst«, entgegnete Lucien entschieden. »Natürlich will ich das. Ich versuche dir nur die ganze Komplexität der Geschichte zu erklären.«
    »Wäre ich du, ich würde sie nie auch nur in meine Nähe lassen«, sagte Ian und ging an Lucien vorbei, zurück Richtung Eingangshalle.
    Er verspürte das dringende Bedürfnis, dieses Gespräch jetzt zu beenden. Lucien aber hielt ihn mit einer Hand auf seinem Arm zurück. Ian sah seinen Bruder an, und Wut – dieser altbekannte Begleiter – begann hinter seiner unbewegten Fassade zu kochen. Nicht Wut auf Lucien, sondern auf eine unbestimmte, vage Trübseligkeit, die in diesem Moment zurückzukehren schien und sich wie ein erstickender Sargdeckel über ihm schloss.
    Ich kann dem nicht entkommen, ganz egal wie sehr ich es auch in der letzten Woche versucht habe, seit der Sekunde, in der ich in Francescas überraschte, glänzende Augen geblickt habe, wie sie in der Reihe der Gratulanten stand.
    »Du bist mein Bruder, sie ist meine Mutter«, fauchte Lucien. »Ganz sicher möchte ich, dass sich meine Familie eines Tages kennenlernt. Du bist nicht Trevor Gaines, Ian.«
    Ohnmächtiger Zorn machte sich in ihm breit, drohte ihn zu ersticken. Mit einem Knurren auf den Lippen schüttelte er Luciens Hand von sich ab. Dieses enge, heiße Gefühl in der Brust machte ihm erneut das Atmen schwer. Als er sich umdrehte, sah er Francesca
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher