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Wehe Dem, Der Gnade Sucht

Wehe Dem, Der Gnade Sucht

Titel: Wehe Dem, Der Gnade Sucht
Autoren: C. E. Lawrence
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mit den Anrufen? Können Sie bei Ihrem Telefon sehen, wer dran ist?«
    »Schon, aber diese Nummer war immer unterdrückt.«
    »Wohnen Sie noch in New Jersey?«
    »Mein Vater ist letztes Jahr gestorben, und ich bin dann in sein Haus gezogen.«
    »Das tut mir wirklich leid.«
    »Danke.« Sie senkte den Blick, musterte ihre Hände, und um ihre Mundwinkel zuckte es.
    »Hat er nicht in Flemington gelebt?«
    Flemington lag in Hunterdon County, ungefähr zehn Meilen von Stockton entfernt, der Stadt in der Lee aufgewachsen war. Seine Mutter wohnte noch immer dort. Als Ana bei Lee in Therapie gewesen war, hatten sie beide in New Jersey gelebt. Das schien eine Ewigkeit her zu sein.
    »Stimmt«, bestätigte sie. »Als er … mmh, krank wurde, wollte ich mich um ihn kümmern und …« Sie verstummte.
    »Hat er Ihnen das Haus hinterlassen?«
    »Ja. Eigentlich ist es ein wenig groß für mich allein, aber ich glaube, er hätte nicht gewollt, dass ich es verkaufe.«
    »Sind noch andere Sachen passiert?«, wollte Lee wissen.
    »Ja.« Sie kramte in der Tasche ihres grünen Cordrocks herum. Ana hatte immer einen ganz eigenen Kleidungsstil gehabt – an ihr sah ein grüner Cordrock tatsächlich chic aus. Sie trug dazu kniehohe Lederstiefel mit hohen Pfennigabsätzen.
    »Ah, da hab ich es ja«, sagte sie und holte ein zerknittertes Stück Papier hervor.
    Lee nahm es und faltete es auseinander. Es war ein anonymer Brief, wie man ihn aus Krimiserien im Fernsehen kannte. Die Buchstaben waren aus verschiedenen Zeitschriften ausgeschnitten und auf ein weißes Blatt geklebt worden. Die Rache ist dir sicher, stand da. Du kannst deinem Schicksal nicht entrinnen. Erst dachte Lee, dass sie den Brief vielleicht selbst zusammengeschustert hatte, um endlich die Aufmerksamkeit zu bekommen, die ihre innere Leere füllen sollte. Dann aber bemerkte er ihren entsetzten Gesichtsausdruck und verwarf den Gedanken. Ana hatte zweifellos wirklich Angst.
    »Waren Sie bei der Polizei?«, fragte er.
    Sie winkte ab, als müsste sie ein lästiges Insekt verscheuchen.
    »Die Polizei von New Jersey«, sagte sie und rollte mit den Augen. »Geben Sie uns Bescheid, wenn jemand versucht, Sie umzubringen, dann kümmern wir uns vielleicht darum. Oder rufen Sie besser erst an, wenn Sie tatsächlich tot sind.«
    »Haben Sie das zu hören bekommen?«
    »Mehr oder weniger. Jedenfalls war ganz klar, dass sich da niemand für die Angelegenheit interessiert.«
    »Und deshalb kommen Sie jetzt damit zu mir.«
    »Ich wusste nicht, was ich sonst tun soll«, stöhnte sie, und es klang schon wieder fordernd. »Raymond – mein Freund – ist wirklich lieb. Er ist Geschäftsführer in einem Restaurant, aber er weiß auch nicht, was man in einem solchen Fall am besten macht.«
    Bei der Erwähnung ihres Freundes atmete Lee auf.
    »Sie arbeiten doch jetzt für die Polizei, oder?«
    »Ja schon, aber für Jersey sind wir nicht zuständig«, erklärte er.
    »Könnten Sie nicht trotzdem vielleicht ein bisschen privat ermitteln – ohne dass es jemand wissen muss?«
    »Ich bin kein Detektiv.«
    »Aber Profiler …«
    »Forensischer Psychologe.«
    »Genau, und Sie erstellen Täterprofile.«
    »Unter anderem. Was soll ich Ihrer Meinung nach denn unternehmen?«
    »Finden Sie heraus, wer mich verfolgt. Erstellen Sie ein Profil … oder was immer Sie sonst so tun.«
    »Haben Sie eine Ahnung, um wen es sich handeln könnte?«
    Sie biss sich auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf. »Darüber denke ich schon die ganze Zeit nach. Mein Freund vor Raymond hat mit mir Schluss gemacht, deshalb tippe ich eher nicht auf ihn. Außerdem war er wirklich nett und so.«
    »Weiß Raymond, dass Sie jetzt bei mir sind?«
    Stirnrunzelnd sah sie Lee an. »Finden Sie es schlimm, dass ich ihm nichts von uns erzählt habe? Ich wollte nur nicht, dass er sich Sorgen macht.«
    Oder dass er eifersüchtig wird, falls du doch noch versuchst, mich zu verführen , dachte Lee, sagte aber stattdessen: »Im Moment sollten Sie besser keine Geheimnisse vor ihm haben – falls Ihr Leben wirklich in Gefahr ist.«
    »Glauben Sie das denn?« Ana schien zwischen Angst und Hoffnung hin- und hergerissen zu sein.
    »Ich halte es für möglich. Gehen Sie besser kein Risiko ein. Sonst noch ein Verdächtiger?«
    »Hm, ich arbeite als Kellnerin im Swan Hotel in Lambertville. Da treffe ich natürlich jeden Tag eine Menge Leute. Aber die meisten sind reich, mittleren Alters und ziemlich angenehm.« Sie suchte etwas in ihrem Rucksack. »Am
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