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Wehe Dem, Der Gnade Sucht

Wehe Dem, Der Gnade Sucht

Titel: Wehe Dem, Der Gnade Sucht
Autoren: C. E. Lawrence
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oft nicht unbedingt pünktlich.
    »Und was ist nun mit diesem mysteriösen Fall, an dem Sie gerade arbeiten?«
    Butts leckte sich die Lippen.
    »Seltsame Geschichte, Doc, sehr seltsam …«
    »Inwiefern? Wer war denn das Opfer?«
    Butts beugte sich vor und senkte die Stimme.
    »Das ist es ja. Es gibt nicht nur eins.«
    »Ach, tatsächlich? Und?«
    »Okay, aber wenn Sie hinzugezogen werden sollten, haben Sie keine Ahnung, und ich habe Ihnen nichts erzählt.«
    »Glauben Sie denn, man wird mich bitten, an dem Fall mitzuarbeiten?«
    »Wer weiß? Im Moment sind wir uns nicht mal sicher, ob es sich überhaupt um Mord handelt.«
    »Ist Chuck Morton schon an der Sache dran?«
    »Na klar, wenn es sich nicht um Selbstmorde handelt, ist er dabei.«
    Chuck Morton war auf dem College Lees Mitbewohner und bester Freund gewesen – und später die treibende Kraft, dass Lee den Job als Profiler beim NYPD bekommen hatte.
    Lee trank einen Schluck Bier, es schmeckte leicht süßlich.
    »Okay«, sagte er dann und beugte sich vor. »Schießen Sie los.«

KAPITEL 4
    Als Kathy das Restaurant betrat, waren Lee und Butts bereits bei der nächsten Runde, hatten die Köpfe zusammengesteckt und unterhielten sich ernst. Lee bemerkte sie, sprang auf und kam zu ihr. Man sah, dass er sich freute. Wie sehr er sich verändert hat, dachte Kathy. Das war nicht mehr derselbe hagere, blasse Mann mit dem traurigen Mund, den sie vor fünf Monaten kennengelernt hatte. Obwohl er noch manchmal in Melancholie verfiel, ging es ihm jetzt viel besser als damals. Natürlich behauptete er, der Grund dafür wäre ihre Beziehung. Kathy aber vermutete, dass dazu auch noch andere Faktoren beitrugen.
    »Hi! Wir hatten uns schon fast Sorgen gemacht deinetwegen.« Er küsste sie und legte ihr den Arm um die Schultern. Weil Kathy so viel kleiner war, musste er sich dabei etwas bücken. Kathy war unsicher wegen ihrer Größe, aber bei Lee fühlte sie sich wohl – auch ein Grund, weshalb sie ihn liebte. Sie war dunkelhaarig und zierlich, aber er behauptete standhaft, dass solche Frauen genau sein Typ seien – und nicht das amerikanische Schönheitsideal der großen Blondine mit ewig langen Beinen. Sie musste ihm das nicht einmal wirklich glauben, sondern war schon dankbar dafür, dass er es einfach sagte. Obwohl Kathy eine brillante Gerichtsmedizinerin war, die nun half, die Opfer des 11. September zu identifizieren, blieb sie doch nur eine Frau, die von den Medien täglich mit retuschierten Bildern des weiblichen Schönheitsideals überflutet wurde.
    »Und wer hat Sie aufgehalten?«, erkundigte sich Butts augenzwinkernd.
    »Leider nur die Bahn in der Rushhour«, antwortete sie grinsend und setzte sich auf den Stuhl gegenüber von Butts. Kathy mochte Butts’ unverblümte Art – der Mann nahm kein Blatt vor den Mund. Ihr Vater verkehrte in Philadelphia in ziemlich elitären Kreisen. Seine Freunde mit ihren teuren Weinen und ihrem Hang zur Haute Cuisine gingen Kathy manchmal ziemlich auf die Nerven. Dagegen war Butts’ ganze Art einfach erfrischend.
    Überschwänglich küsste sie ihn auf die Wange, worauf Butts kirschrot anlief.
    »Ich bestell mal für Sie, damit Sie nicht auf dem Trockenen sitzen«, sagte er hastig und schaute sich nach dem Kellner um. »Wir liegen nämlich weit vorn.«
    »Prima«, sagte Kathy und schaute sich um. Im East Village war am Freitagabend immer viel los, richtig voll wurde es überall allerdings erst nach zehn. Kathy und Lee waren dann meistens schon wieder bei ihm zu Hause, um den Horden betrunkener Jugendlicher zu entgehen.
    »Na?« Sie sah Lee an. »Was habe ich verpasst?«
    Lee und Butts sahen sich schweigend an. »Nicht viel, wir haben nur ein bisschen über die Arbeit gesprochen«, erklärte Butts ausweichend.
    »Verstehe«, sagte Kathy. »Und ich darf darüber nichts wissen.«
    »Genau genommen …«, begann der nun schwitzende Butts.
    »Genau genommen«, unterbrach ihn Lee, »darf eigentlich nicht einmal ich etwas darüber wissen.«
    »Stimmt«, bestätigte Butts erleichtert. »Ich bearbeite den Fall, aber eigentlich muss ich die Sache für mich behalten.«
    »Aber wenn Sie Lee davon erzählen, warum dann mir nicht?«
    »Tja, wahrscheinlich hätte ich sowieso besser den Mund gehalten«, antwortete Butts.
    »Dafür ist es ja nun zu spät, da können Sie es mir also auch erzählen. Oder soll ich hier den ganzen Abend sitzen und vor Neugier sterben?«
    Butts runzelte die Stirn und kaute an seiner Unterlippe. »Na gut, na gut, Sie sind
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