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Wehe Dem, Der Gnade Sucht

Wehe Dem, Der Gnade Sucht

Titel: Wehe Dem, Der Gnade Sucht
Autoren: C. E. Lawrence
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Bierkrug. »Tja, was das betrifft … Es tut mir echt leid, verstehen Sie …«
    »Das Thema ist erledigt. Es war für uns alle drei ein ziemlich anstrengender Aufstieg, und Sie haben nun mal Seitenstechen bekommen. Hätte jedem passieren können.«
    »Aber es ist mir passiert, und deswegen gehe ich von nun an ins Sportstudio. Das kann ich Ihnen sagen, Doc, bald bin ich ein völlig neuer Mensch! Warten Sie’s nur ab.«
    Lee lächelte. »Okay, dann warte ich.«
    »Und was ist mit Ihnen? Wie fühlen Sie sich?«
    »Ganz gut. Ein bisschen mitgenommen, aber ich werde es überleben.«
    »Verstehe.« Butts schwieg und betrachtete durch die Panoramascheibe die Fußgänger, die geschäftig über die East Seventh Street liefen. »Gab es noch weitere Anrufe wegen des Kleids?«
    »Nein. Ich habe keine Ahnung, wer dahintersteckt. Auf jeden Fall nicht McNamara. Chuck lässt meinen Anschluss jedenfalls weiterhin überwachen.«
    »Und was ist mit … haben Sie mit … ihr gesprochen?«
    »Nein. Ich werde sie anrufen.«
    »Schön«, sagte Butts. »Aber vergessen Sie es nur nicht. Das mit Ihnen beiden war etwas Besonderes. Also rufen Sie gefälligst wirklich an.«
    Lee nickte und trank noch einen Schluck von dem kalten, bitteren Bier. Es rann ihm die Kehle hinunter und schmeckte nach seligem Vergessen. Gedankenverloren stellte er den Krug ab und starrte in die bernsteinfarbene Flüssigkeit. Die Wasser der Lethe.

KAPITEL 64
    Barfuss ging Lee in die Küche und musterte das Telefon, das an der Wand neben dem Kühlschrank hing. Es war ein altmodisches Gerät, bei dem der Hörer noch durch ein Kabel mit dem Apparat verbunden war – aber er mochte es. Es war schon da gewesen, als er in die Wohnung eingezogen war, und Lee liebte seine kirschrote Farbe. Jetzt schien es geduldig zu warten, bis er sich entschieden hatte.
    Unruhig lief er auf und ab, bis er den Hörer endlich von der Gabel nahm. Lee wählte die Nummer und legte auf, noch bevor es klingeln konnte. Dann rief er wieder an. Er hätte beinahe wieder aufgelegt, zwang sich aber, es wenigstens drei Mal klingeln zu lassen. Er betete, dass nur ihr Anrufbeantworter rangehen würde, doch nach dem dritten Klingeln hob Kathy ab.
    »Hi«, sagte er und versuchte sich so lässig wie möglich anzuhören. Nur ja nicht zu bemüht oder bedürftig.
    »Hi.«
    Ließ sie ihre Stimme absichtlich so gleichmütig klingen, oder fühlte sie wirklich nichts?
    »Wie geht es dir?«
    »Mir geht es gut. Und Dir? Ich habe gehört, dass du ein bisschen zusammengeschlagen wurdest.«
    Ging es ihr wirklich gut? Oder versteckte sie ihre Sehnsucht nur hinter einem gespielt leidenschaftslosen Ton? Wollte sie ihn aus der Deckung locken, bevor sie bereit war, ihre wahren Gefühle zu zeigen?
    »Mir geht es gut.« Angsthase, Pfeffernase. Er atmete tief ein und spürte einen stechenden Schmerz an seinen verletzten Rippen. Also gut – sag ihr die Wahrheit. »Du fehlst mir.«
    In der darauffolgenden Pause zog sich die Zeit hin, als verginge gerade eine Ewigkeit.
    »Ich gratuliere dir zu deinem gelösten Fall.«
    Glückwünsche! Sachlicher und gleichgültiger hätte sie gar nicht reagieren können!
    »Danke.«
    Es folgte eine weitere Pause. Lee drehte das Telefonkabel um seinen Finger, und verlagerte das Gewicht auf den anderen Fuß. Er bedauerte, dass er das Telefon in der Küche und nicht den tragbaren Apparat im Wohnzimmer benutzt hatte. Am liebsten wäre er geflohen, statt hier zu stehen und auf die nächste Antwort zu warten.
    »Ich vermisse dich auch, übrigens.«
    Damit hatte er nicht mehr gerechnet und wusste nun nicht, was er antworten sollte.
    »Okay«, sagte er und merkte sofort, wie blöd das klang.
    »Ist ja nicht so, dass du mir nichts bedeuten würdest.«
    »Okay«, wiederholte er. Was sollte man darauf auch antworten?
    »Das Letzte, was ich wollte, war, dir wehzutun, verstehst du?«, fragte Kathy.
    Zu spät .
    Lee nahm all seinen Mut zusammen. Wenn sie die Wahrheit nicht vertrug, dann war es die ganze Sache sowieso nicht wert.
    »Beziehungen sind harte Arbeit, so ist das nun mal«, sagte er. »Wir haben beide in der letzten Zeit eine Menge durchgemacht. Damit müssen wir fertig werden. Entweder versuchen wir es gemeinsam oder allein. Aber wenn wir es zusammen versuchen, wird es uns einander näherbringen, statt uns zu trennen.«
    »Ich bin so … wütend«, sagte sie schließlich.
    »Ich weiß, das bin ich auch.«
    »Manchmal möchte ich schreien. Und dann fühle ich mich so, als ob … ich jemanden
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