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Blumen fuer Polt

Blumen fuer Polt

Titel: Blumen fuer Polt
Autoren: Alfred Komarek
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Alfred Komarek
     
    Blumen für Polt
     
     
    Kinderglück
     
    Gendarmerie-Inspektor Simon Polt bremste sein altmodisches
Fahrrad ab, atmete tief durch und schaute übers Land. „Grüß dich, Frühling“,
sagte er.
    Noch waren viele Ackerflächen schwarz, und die Rebstöcke
wirkten kahl, obwohl sie schon winzige Blattansätze hatten. Nach einem milden
Winter trugen einige Bäume schon frisches Laub, und im weithin gedehnten Schachbrettmuster
der Felder schuf die Wintergerste grüne Flächen. Vor allem aber wucherte und
blühte das Unkraut an den Wegrändern. Dort, wo das Gelände steiler abfiel, oder
auch an Hohlwegen standen zart begrünte Akazienstauden, bald würden Weißdorn
und Flieder blühen.
    Die Sonne wärmte schon so richtig an diesem frühen
Nachmittag. Polt stand im Schatten einer kleinen Baumgruppe, die eine
verwitterte Mariensäule umfing. Hier war der Weg vom Talboden aufwärts zu Ende.
Ein paar Meter weiter, in einer kleinen Senke, verlief die Grenze zu Tschechien.
Unten, in den Bauerngärten der Dörfer, blühten schon Märzenbecher und
Stiefmütterchen. In den Kellergassen, die sich nach Norden hin den Hang
hochzogen, waren die Fensterluken der Preßhäuser geöffnet, und Holzgitter
ersetzten die festen Türen, damit frische Luft durchströmen konnte. An ihren
oberen Enden verloren sich die langen Reihen der kleinen weißgekalkten Gebäude
in weitläufiger Stille. Polt mochte diese großzügige Landschaft, in der es
weder Haus noch Hütte gab. Nichts verstellte hier den Blick, der Himmel war
sehr hoch. Und dann noch Frühling, das war schon was. Eine Zeit schöner
Unvernunft, da mußte man einfach seiner Wege streunen, wie ein wohlgelaunter
Hund. Schon als Kind hatte Polt diese glückliche Unruhe gespürt und war ihr an
die Sonnenseite des Tales gefolgt, wo die Steine um die Mittagszeit schon warm
waren wie ofenfrisches Brot. Aufregend roch so ein junges Jahr, nach Gras und
Blüten, nach Aufwachen, bettwarm und träge. Oder auch nach warmer Feuchtigkeit,
auf halbem Weg zwischen Kastanienblüten und nassen Socken. Und wenn man seine
Nase ins Fell einer Katze steckte, roch es nach Sünde und Zigeunerleben.
    Polt war ganz einfach guter Dinge an diesem dienstfreien
Tag. Im Gasthaus Stelzer in Brunndorf hatte er ein Brathuhn mit flaumiger
Semmelfülle verzehrt und ein Glas Bier dazu getrunken. Jetzt ließ er sich vom
Wind der Laune tragen, und der große, nicht eben schmächtige Mann fühlte sich
erstaunlich leicht. Als er sein Fahrrad wieder in Bewegung setzte, bog er in
den schmalen Güterweg nach Burgheim ein. Erst einmal ging es ziemlich steil
bergab. Simon Polt verschwendete keinen Gedanken daran zu bremsen und fuhr mit
rasch zunehmendem Tempo talwärts. Jetzt pfiff ihm die Luft ja doch wieder recht
kühl um die Ohren. Wenig später hemmte der nunmehr ansteigende Weg die rasche
Fahrt. Polt trat kräftig in die Pedale, und nachdem er die kleine Erhebung
überwunden hatte, ließ er das Fahrrad gemächlich weiterrollen. Ein paar
Hundert Meter vor der Burgheimer Kellergasse bremste er. An der rechten
Wegseite ragte eine nahezu senkrechte Lößwand gut vier Meter hoch. Oben war ein
Stück Wiese zu sehen, und dahinter standen Rebstöcke. In der Wiese saß
regungslos ein Mann. Polt legte das Fahrrad ins Gras. Mit langsamen Schritten
stieg er auf einem schmalen Fußweg nach oben. Der Mann saß ein wenig verloren
zwischen wuchernden Halmen und Stauden, schaute ins Leere und summte eine
Melodie. Simon Polt war in einiger Entfernung stehengeblieben, um ihn nicht zu
erschrecken. Die Melodie war ihm vertraut, und sie erinnerte ihn fatal an Karel
Gotts Ölsardinenbelcanto. Den Mann in der Wiese kannte er noch besser. Er hieß
Willi, niemand wußte seinen Familiennamen. Es war schwer zu sagen, wie alt er
war, wohl weit über fünfzig. Willi gehörte zum Leben im Dorf, ohne dabei
irgendeine Rolle zu spielen. Die Unkrautwiese über dem Tal war sein
Lieblingsplatz.
    Als im Weingarten ein Rebhuhn aufflog, schreckte
Willi hoch, schaute sich um, erblickte Simon Polt, lief auf ihn zu und umarmte
ihn.
    „Hallo, mein Freund!“ Polt schob ihn sachte von
sich. „Wunderschön heute, wie?“
    Willis altes Kindergesicht strahlte. Dann redete er
hastig darauf los, und kein Wort war zu verstehen.
    „Du mußt nicht alles auf einmal sagen.“ Polt faßte
Willi an den Schultern. „Schön langsam, verstehst du? Eins nach dem anderen.“
    Willi nickte und nahm sich zusammen. „So viele Blumen,
und Käfer, und Bienen!“
    Polt
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