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Das Ekel von Säffle

Das Ekel von Säffle

Titel: Das Ekel von Säffle
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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    Kurz nach Mitternacht gab er das Grübeln auf.
    Davor hatte er einiges aufgeschrieben, nun aber lag der blaue Kugelschreiber auf der Zeitung vor ihm, genau parallel zu dem rechten äußeren Rand des Kreuzworträtsels. Er saß auf einem abgenutzten Holzstuhl vor dem niedrigen Tisch in der kleinen Mansarde, kerzengerade und völlig ruhig. Über seinem Kopf hing ein gelblicher, runder Lampenschirm mit langen Fransen. Die Stoffbespannung war ausgeblichen, und das Licht der schwachen Glühbirne fiel undeutlich und wie durch einen Schleier auf den Tisch.
    Im Hause war es ruhig. Aber nicht völlig still; drei Menschen atmeten darin, und von außen konnte man ein undefinierbares Summen hören, undeutlich und kaum wahrnehmbar. Wie der Verkehr auf einer Autobahn, die in einiger Entfernung vorbeiführt, oder wie man von weitem eine Brandung hört. Das Geraune von einer Million Menschen. Von einer großen, unruhig schlafenden und von Alpträumen geplagten Stadt.
    Der Mann in dem kleinen Zimmer trug einen kurzen, gefütterten Mantel, eine graue Skihose, ein maschinengestricktes schwarzes Polohemd und braune Skistiefel. Sein Schnurrbart sah gepflegt aus und war ein wenig heller als das glatte, schräg nach hinten gekämmte Haar. Das Gesicht war schmal, mit klarem Profil und ausgeprägten Konturen, und hinter der steifen Maske anklagender Unzufriedenheit und unerschütterlicher Hartnäckigkeit konnte man einen fast kindlich weichen Zug erkennen, ratlos und hilfesuchend, aber dann doch wieder ein klein bißchen berechnend.
    Der Blick seiner klaren hellblauen Augen war fest, aber leer. Er sah aus wie ein kleiner Junge, der ganz plötzlich gealtert ist.
    Der Mann saß eine Stunde lang regungslos auf seinem Stuhl. Seine Handflächen lagen auf den Oberschenkeln, und die ausdruckslosen Augen waren die ganze Zeit auf den gleichen Punkt des Blumenmusters auf der verschossenen Tapete gerichtet.
    Dann stand er auf, durchquerte den Raum, öffnete die Schranktür, streckte den linken Arm aus und nahm etwas aus dem Hutfach. Einen länglichen Gegenstand, umwickelt mit einem weißen Küchenhandtuch mit roter Borte.
    Der Gegenstand war ein Seitengewehr.
    Er wickelte es aus und wischte sorgfältig das gelbe Fett ab, bevor er die Waffe in die stahlblaue Scheide steckte.
    Obwohl er groß und ziemlich schwer war, bewegte er sich schnell und geschmeidig, und seine Handbewegungen waren ebenso gewandt und sicher wie der Blick seiner Augen.
    Er schnallte den Gürtel auf und führte ihn durch die am Seitengewehr befestigte Lederschlaufe. Dann zog er den Reißverschluß an seiner Jacke hoch, zog Handschuhe an, setzte eine karierte Tweedmütze auf und verließ das Haus.
    Das Haus war alt und klein und lag an einem Hang oberhalb der Landstraße. Die Nacht war kühl und sternklar.
    Der Mann mit der Tweedmütze bog um die Hausecke und ging mit schlafwandlerischer Sicherheit zur Auffahrt hinter dem Haus.
    Er öffnete die linke Tür seines schwarzen Volkswagens, setzte sich hinters Lenkrad und ruckte das Seitengewehr zurecht, das nun an seiner rechten Hüfte lag.
    Er ließ den Motor an, schaltete die Scheinwerfer ein, setzte zurück auf die Straße und fuhr m nördlicher Richtung davon.
    Das kleine schwarze Auto rollte durch die Nacht, unaufhaltsam und zielbewußt, so wie ein schwereloses Raumfahrzeug.
    An seinem Weg wurde die Bebauung dichter und die Stadt unter ihrer hellen Lichtglocke kam naher. Die große, kalte und öde Stadt, der man alles Leben genommen hatte, die nur noch aus großen Flachen von Metall, Glas und Beton bestand.
    Selbst in der Innenstadt war um diese Stunde niemand mehr unterwegs. Mit Ausnahme von einzelnen Taxis, zwei Ambulanzen und einem Streifenwagen war alles wie ausgestorben. Das Polizeiauto war schwarz mit weißen Kotflügeln, und sein Motor dröhnte laut, als es den Volkswagen zügig überholte.
    Die Verkehrsampeln schalteten von Rot auf Gelb auf Grün auf Gelb auf Rot mit sinnloser mechanischer Monotonie.
    Das schwarze Auto hielt sich genau an die Verkehrsregeln, der Mann fuhr nicht ein einziges Mal schneller als erlaubt, verlangsamte seine Geschwindigkeit vor Kreuzungen und hielt bei jeder roten Ampel an.
    Jetzt fuhr er über Vasagatan, am neuerbauten Sheraton Hotel und am Hauptbahnhof vorbei, bog auf Norra Bantorget nach links ab und fuhr Torsgatan in nördlicher Richtung hinauf. Auf dem Platz stand ein Lichterbaum, und der Bus 591 wartete an der Haltestelle über St-Enksplan stand der zunehmende Mond, und die blauen Neonzeiger
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