Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Ekel von Säffle

Das Ekel von Säffle

Titel: Das Ekel von Säffle
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
Vom Netzwerk:
kümmern mußte « Sie gingen ohne zu sprechen Kopmangatan entlang.
    Martin Beck dachte an den Sommer vor 22 Jahren, als er Streifenpolizist auf der Revierwache Nikolai gewesen war Gamla Stan, die Altstadt, war damals ein richtiges Kleinstadtidyll gewesen Mehr Armut und Trunkenheit und Elend natürlich, ehe man sanierte und restaurierte und die Mieten so anhob, daß die früheren Bewohner keine Möglichkeit mehr hatten, hier wohnen zu bleiben. Hier zu wohnen galt jetzt als besonders fein, und nun gehörte er selbst zu den Privilegierten.
    Mit dem Fahrstuhl, der bei der Renovierung eingebaut worden war und zu den wenigen in Gamla Stan überhaupt gehörte, fuhren sie in die oberste Etage. Die Wohnung war vollständig modernisiert worden und bestand aus einer Diele, einer kleinen Küche, Bad und zwei Zimmern an der Fensterfront, die an der Westseite eines großen, offenen Hofes lag. Die Räume waren unsymmetrisch und wirkten mit den tiefen Fensternischen und niedrigen Decken sehr gemütlich. Im hintersten Zimmer, das mit Sesseln und niedrigen Tischen möbliert war, befand sich ein Kamin. Im Raum davor stand ein Bett, eingerahmt von tiefen an der Wand befestigten Regalen und Schränken, und vorne am Fenster stand ein großer Arbeitstisch mit Aktenschränken an der Seite.
    Ohne den Mantel auszuziehen, ging Ingrid hinein, setzte sich an den Arbeitstisch, nahm den Hörer ab und wählte die Nummer der Taxizentrale.
    »Willst du nicht noch ein Weilchen hierbleiben?« rief ihr Martin Beck aus der Küche zu.
    »Nein. Muß nun wirklich nach Hause und schlafen gehen. Ich bin todmüde, und du übrigens auch.« Martin Beck widersprach nicht. Er fühlte sich plötzlich überhaupt nicht mehr müde, hatte aber den ganzen Abend über gegähnt, und im Kino - sie hatten sich Truffauts Sie küßten und sie schlugen ihn angesehen - wäre er mehrmals beinahe eingeschlafen.
    Nachdem Ingrid das Taxi bestellt hatte, kam sie in die Küche und küßte ihren Vater auf die Wange. »Vielen Dank für den Abend. Wir treffen uns auf Rolfs Geburtstag, wenn nicht früher. Schlaf gut.« Martin Beck brachte sie zum Fahrstuhl und flüsterte gute Nacht, bevor er die Tür schloß und in seine Wohnung ging.
    Er goß das Bier, das er aus dem Kühlschrank genommen hatte, in ein großes Glas, ging ins Zimmer und stellte es auf seinen Arbeitstisch. Dann ging er zum Plattenspieler, der neben dem Kamin stand, suchte zwischen den Platten Bachs sechstes Brandenburgisches Konzert heraus und legte es auf. Das Haus war gut gegen Schall isoliert, und er wußte, daß er die Musik ziemlich laut stellen konnte, ohne die Nachbarn zu stören. Er setzte sich an den Schreibtisch, trank von seinem Bier, das kalt war und schäumte, und spülte den Geschmack des süßen, klebrigen Punschs hinunter. Er kniff das Papiermundstück einer Florida zusammen, steckte sich die Zigarette in den Mund und riß ein Streichholz an. Dann stützte er das Gesicht auf die Hände und starrte aus dem Fenster.
    Der Frühjahrshimmel wölbte sich tiefblau und sternklar über den mondbeschienenen Dächern auf der anderen Seite des Hofes. Martin Beck lauschte der Musik und ließ seinen Gedanken freien Lauf. Er fühlte sich völlig entspannt und ruhig.
    Als er die Schallplatte umgedreht hatte, ging er zum Regal und nahm aus dem Fach über seinem Bett ein halbfertiges Modell des SegelklippersFlying Cloud heraus. Beinahe eine Stunde lang arbeitete er an Masten und Rahen, bevor er das Modell ins Regal zurückstellte.
    Während er sich auszog, betrachtete er nicht ohne Stolz die beiden fertigen Modelle der Cutty Sark und des Schulschiffs Danmark. Bald war die Flying Cloud fertig bis auf die Takelage, die schwierig herzustellen war und am meisten Zeit und Geduld erforderte.
    Er ging nackt hinaus ig die Küche und stellte Aschenbecher und Bierglas auf den Spültisch.
    Dann knipste er alle Lampen aus, bis auf die über dem Bett, öffnete das Schlafzimmerfenster einen Spalt und legte sich hin. Er zog den Wecker auf, der jetzt fünf Minuten vor halb drei war, und kontrollierte, ob der Weckmechanismus auch abgestellt war. Da er aller Voraussicht nach einen freien Tag vor sich hatte, konnte er schlafen, so lange er wollte.
    Auf dem Nachttisch lag Kurt Bergengrens Skärgardsbät till sommarnöjet; er blätterte zerstreut darin herum, sah sich die Bilder an, die er mehrmals sehr genau studiert hatte, las hier und da einige Sätze und plötzlich wurde ihm bewußt, daß er starkes Heimweh nach den Stockholmer Schären
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher