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Wehe Dem, Der Gnade Sucht

Wehe Dem, Der Gnade Sucht

Titel: Wehe Dem, Der Gnade Sucht
Autoren: C. E. Lawrence
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Geld soll es nicht scheitern. Ich bezahle gern jeden Preis, den Sie verl–«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich wüsste ja nicht mal, was ich da berechnen sollte.«
    »Können Sie mir denn helfen?«
    Trotz seiner Vorgeschichte mit Ana war Lee gerührt, ja, vielleicht sogar gerade deshalb. Sie wirkte so verletzlich in ihrer Angst. Ohne ihre übliche Arroganz war sie eigentlich recht attraktiv.
    »Ich wüsste nicht, was ich in der Angelegenheit tun könnte«, sagte Lee.
    Er schaute auf die Uhr. Es war nach sieben, und er kam jetzt schon zu spät zu seiner Verabredung.
    »Tut mir wirklich leid«, sagte er und stand auf. »Ich bin zum Essen verabredet und muss nun leider los.«
    Wie von der Tarantel gestochen sprang sie vom Sessel auf. »Oh, Entschuldigung, ich wollte Sie nicht so lange belästigen.«
    »Schon in Ordnung. Mir tut es leid, dass ich Ihnen nicht helfen kann.« Er holte Anas Mantel und half ihr hinein.
    »Ich wäre wirklich froh, wenn Sie es sich noch anders überlegen«, sagte sie leise.
    »Tut mir leid«, wiederholte er. »Aber ich …«
    »Ich habe Sie vermisst«, gestand sie und sah ihm etwas zu lange in die Augen. Er befürchtete schon, sie würde gleich versuchen, ihn zu küssen. Doch sie nahm nur seine Hand in ihre beiden kalten Hände und drückte sie.
    Schnell machte Lee sich los und öffnete die Tür.
    »Am besten zeigen Sie den Brief der Polizei in Flemington.«
    Ana nickte knapp und schaute weg.
    »Gut, ich habe es jedenfalls versucht. Falls mir etwas passiert …«
    »Gehen Sie mit dem Brief zur Polizei«, riet er noch einmal bestimmter.
    Sie lachte kurz glockenhell.
    »Ja, genau.«
    Dann schlüpfte sie durch die Tür und zog eine Wolke von Fliederparfüm hinter sich her. Erst jetzt merkte er, dass sie ihm einen Zettel mit ihrer Handynummer in die Hand gedrückt hatte. Als er ihre schnellen Schritte auf der Treppe hörte, erinnerte er sich wieder daran, dass sie auch früher schon immer in Eile gewesen zu sein schien. Plötzlich hätte er sie am liebsten zurückgerufen – nicht weil er sie auf einmal doch attraktiv fand, sondern weil er sie einfach nicht so schutzlos in die böse Welt hinausschicken wollte.
    Später sollte er noch bereuen, dass er diesem Impuls nicht nachgegeben hatte.

KAPITEL 2
    Auf den ersten Blick schien es zwischen den beiden Fällen keinen Zusammenhang zu geben.
    Im Bronx River war die Leiche eines ungefähr zwanzig Jahren alten Mannes gefunden worden. Todesursache: Ertrinken. Zuerst hielt man die Sache für einen Selbstmord.
    Dann jedoch stellte sich heraus, dass die Abschiedsbotschaft des Toten nicht von ihm geschrieben worden war.
    Der nächste war ein glatzköpfiger Mann in den Vierzigern. Lag tot in der Badewanne – alles sah nach einem Unfall aus. Der Fön war ihm ins Wasser gefallen und der Stromschlag tödlich gewesen.
    Das gab alles keinen Sinn, und wer auch immer diesen Pseudounfall in der Badewanne inszeniert hatte, musste das auch gewusst haben. Es war daher davon auszugehen, dass es sich nicht einfach um einen besonders dummen Täter handelte, sondern dass die offensichtlichen Widersprüche ein geplanter Hinweis an die Polizei waren. Und was den Mann im Fluss anging – seine letzten Zeilen waren mit Lippenstift – mit Lippenstift ? – bei ihm zu Hause an seinen Spiegel geschrieben worden. Das machte den Fall genauso unkoscher wie den mit dem Glatzkopf und dem Fön, den man zwei Tage später tot aufgefunden hatte.
    Diese Zusammenhänge waren auch Chuck Morton klar, als er an diesem warmen Morgen im August sein Büro in der Abteilung für Schwerverbrechen im Polizeirevier der Bronx betrat. Er stöpselte seine neue Kaffeemaschine ein, füllte Wasser nach und genau sechs Löffel Kaffee.
    Charles Chesterfield Morton war ein penibler Mensch. Er liebte seine Rituale und brauchte einen festen Tagesablauf: Den Morgen im Büro begann er stets mit kenianischem Spitzenkaffee, pro Tasse genau ein Löffel Zucker und dazu ein Schuss Kaffeesahne.
    Das Telefon klingelte, und er griff nach dem Hörer.
    »Morton«, meldete er sich.
    »Hallo, Chuck, wie geht’s?«
    Mortons Miene verfinsterte sich. Er hatte die Stimme sofort erkannt – am anderen Ende war Deputy Chief Police Commander Steven Connelly, ein Mann, den er zutiefst verachtete. Montagmorgen gleich mit einem Anruf von diesem Kerl beglückt zu werden, bedeutete nichts Gutes. Und dass Connelly ihn mit Vornamen ansprach, war ein noch schlechteres Zeichen.
    Morton ließ sich auf den Stuhl sinken.
    »Danke, gut, Sir«,
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