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Die Weiterbildungsluege

Titel: Die Weiterbildungsluege
Autoren: Richard Gris
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|7| Prolog
Weiterbildung bringt nichts
    In seinem Innenleben rotieren die Gedanken wie in einer Zentrifuge. Ist das wirklich alles gewesen? Immer wieder diese Frage.
     Bildfragmente und Wortfetzen wechseln sich rasch ab. »Ich habe dafür eigentlich gar keine Zeit. Das war so eine Idee von meinem
     Chef.« – »Ich weiß gar nicht, was ich hier soll. Ich bin nur hier, weil es eine Pflichtveranstaltung ist.« Plötzlich tauchte
     das bärtige Gesicht des EDV-Leiters auf. Auch bei ihm keine Offenheit für Lernen und Veränderung. Zorn mischt sich in seine
     Erinnerungen. Die Trainer in dem Institut waren oft sehr grob mit ihm umgegangen. Über 20 Jahre hat er seinen Dienst in der
     Weiterbildung getan. Und irgendwie wird er nun den Gedanken nicht los, dass die Maßnahmen unterm Strich umsonst waren.
    Vor seinem geistigen Auge taucht der verzweifelte Geschäftsführer auf, der wie Monty Burns von den Simpsons aussah. Trotz
     zahlreicher Trainings und Coachings konnte er einfach nicht aus seiner Haut. Und dann war da der arme Alfred Kruttok, der
     quasi totgeschult wurde. Ihm ist schwer ums Herz. Und wie oft er diesen Satz bei Folgetrainings hörte: »Ich hatte keine Zeit
     für die Umsetzung der Inhalte.« Die übliche Ausrede, um bloß nicht die Komfortzone verlassen zu müssen. Und die Vorgesetzten
     unterstützten das Gebahren wie Co-Abhängige. Sie schwörten auf Selbstverantwortung. Aus Zeitmangel und Konfliktscheu. Vergeblich.
     Von Nachhaltigkeit keine Spur.
    |8| Und überhaupt. Hier stank es bestialisch. Dagegen rochen die Füße seines letzten Chefs wie ein Dufttannenbaum. Er hatte viel
     erlebt. War immer dabei gewesen. Auch bei dem groß angelegten Führungskräfteentwicklungsprogramm, bei dem von vornherein klar
     war, dass es langfristig gar keine Stellen geben würde. Karriere wurde trotzdem suggeriert. Am Ende stand Frust und die High
     Potentials gingen. Oder dieser Manager Dr. Moser. Oberste Priorität hatte das Programm gehabt und sollte die Firma verändern.
     Mit großem Brimborium gestartet, versandete es bald. Oh – das hatte er schon fast vergessen. Dieses hübsche Wellness-Hotel
     an der Ostsee. Es war ein Incentive-Seminar mit Kopfweh-Garantie. Einziges Ziel: Mitarbeiter bei Laune halten. Und – so wollte
     es der glückliche Zufall – das Budget musste auch weg. Tagsüber saßen die Teilnehmer mit glasigen Augen im Seminarraum. Trotz
     einer Doppeldosis Aspirin. Eins von den 30 Bierchen gestern Abend war wohl schlecht.
    Wie lange würde es noch dauern, bis es zu Ende war? Diese Warterei. Er blickt um sich. Dunkle Wände türmen sich um ihn herum
     auf. »Fast 20 Jahre im Dienst der Weiterbildung«, sinniert er, als sich plötzlich ein paar Greifarme in das mürbe Material
     graben und den Moderatorenkoffer aus dem Müllbunker direkt in den Einfülltrichter befördern. Ihm wird heiß. Und er sieht das
     viel zitierte helle, aber nicht blendende Licht am Ende des Tunnels. Es strahlt Wärme aus. Genauer gesagt 1 000 Grad Celsius.
     Es kommt aus dem heißen Feuerraum der Müllverbrennungsanlage. Eine letzte schmerzliche Erkenntnis durchzuckt die Seele des
     Moderatorenkoffers: Irgendwie hat sein Leben keinen Sinn gemacht – alle Weiterbildung war rausgeschmissenes Geld.

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|9| Einleitung
Das große Geschäft mit der Weiterbildung
    »Jahrelang kämpft man darum, dass die Firmen Geld in die Weiterbildung investieren und etwas für die Qualifizierung ihrer
     Mitarbeiter tun, und jetzt schreiben Sie ein Buch, dass das alles nichts bringt!« Mir schlägt blanke Empörung vonseiten der
     Personalentwicklungsleiterin entgegen. »Wir haben derart viel Aufklärungsarbeit geleistet. Natürlich denke ich, dass das was
     bringt. Bei so einem Buch mache ich nicht mit – auch wenn ich weiß, dass es solche Sachen gibt.« Und weil sie so aufgebracht
     ist, gibt sie mir noch einen guten Tipp auf meinen Lebensweg mit: Wenn ich den Glauben an den Nutzen von Weiterbildung verloren
     hätte, solle ich Bildhauer werden.
    Glaube ist das richtige Stichwort. Der Geschäftsführer eines großen mittelständischen Unternehmens sagte einmal zu mir: »Entweder
     man glaubt an Weiterbildung oder man lässt es sein.« Hierzulande hat man einen starken Glauben. Gut 84 Prozent aller Firmen
     in Deutschland investieren in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter. Das ergab die aktuelle 5. Weiterbildungserhebung des Instituts
     der deutschen Wirtschaft in Köln (IW Köln) im Jahr 2005.
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