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Die Weiterbildungsluege

Titel: Die Weiterbildungsluege
Autoren: Richard Gris
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Wirtschaft, Kommunikationstrainings durch – bloß dass die
     ganze Arbeit und die eigene Qualifikation plötzlich nur noch einen Appel und ein Ei wert sind. Und das nur, weil man da nicht
     Trainer, sondern eben Dozent oder Lehrer heißt. Manchmal ist es sogar ein und derselbe Trainer, der aufgrund der Auftragslage
     in beiden Welten wirkt. Einmal für 35 Euro die Stunde, ein andermal für 80 Euro oder mehr. Berufsanfänger glauben, dass die
     gut bezahlten Trainer irgendwelche geheimen Wunderkonzepte und Super-Handouts in der Schublade haben. Mit zunehmender Erfahrung
     merken sie jedoch, dass »alle nur mit Wasser kochen«. Jeder vermittelt Kommunikationswissen in Rollenspielen und mit Übungen,
     die man überall nachlesen kann oder die man von Trainerkollegen »ausgeliehen« hat.
    Ein Klassiker ist das Kommunikationsthema, wie man konstruktives, wertschätzendes Feedback gibt. So lernt die Krankenschwester,
     mit einem Jahresgehalt von 25 000 Euro 9 , wertneutral und in sogenannten Ich-Botschaften zu sagen: »Herr Meier, ich möchte gerne etwas mit Ihnen besprechen. Ich habe
     beobachtet, dass Sie viermal Ihren Nachttopf versteckt haben …« Der normale Bürger würde stattdessen mit einem Wutausbruch
     reagieren und sagen: »Herr Meier, jetzt habe ich aber die Schnauze voll. Sie haben jetzt schon viermal den Nachttopf versteckt.
     Wenn das noch mal passiert, setze ich Ihnen diesen auf den Kopf. Mit Inhalt.« Genauso lernt die 70 000-Euro-Führungskraft,
     mit ihrem Mitarbeiter in Ich-Botschaften zu sprechen. »Herr Schuster, ich möchte gerne etwas mit Ihnen besprechen. Ich habe
     beobachtet, dass Sie die vergangenen Abende noch lange nach Dienstschluss am Kopierer standen und Ihre Vereinszeitschrift
     kopiert haben. Ist das richtig?« Der untrainierte Chef würde in die bösartige Falle laufen und |15| sagen: »Herr Schuster, wenn ich Sie noch einmal beim Kopieren Ihrer Vereinszeitung erwische, dann brennt hier die Luft.«
    Die Höhe des Bankkontos hängt auch sehr davon ab, ob man gute und viele Kontakte zu zahlungskräftigen und namhaften Firmen
     hat. Mit dieser Basis kommt Geld in die Kasse und man kann seine Referenzliste schmücken. Plötzlich gilt man als Top-Trainer,
     der sein Geld wert ist. Wer Geschäftsführer und Vorstände sogar persönlich kennt, hat den Jackpot geknackt. Denn hier spielt
     Geld plötzlich kaum eine Rolle mehr – ganz im Vergleich zu den niederen Abteilungen, besonders Personal- oder Einkaufsabteilungen,
     die um jeden Euro feilschen.
    Und noch eine interessante Erfahrung habe ich in den vergangenen Jahren meines Trainerdaseins gemacht. Ich nenne es die Fähigkeit,
     »kongruent zu lügen«. Das heißt, sehr stimmig und überzeugend seine Kompetenz beim Kunden darzustellen, obwohl man noch nie
     etwas zum Thema gemacht hat oder gerade mal den Wissensvorsprung einer Buchlektüre hat. Genauso gerne werden namhafte Firmen
     als Referenzkunden ins Feld geführt, die symbolisieren sollen: »Schau, lieber Kunde, wenn mich diese Markenfirma kauft, dann
     muss ich gut sein.« In der Regel geht die Rechnung auf und keiner fragt detailliert nach oder ruft die genannten Kunden auch
     an. Sonst würde sich mancher Nimbus in Luft auflösen.
    Und so lehrt uns die Realität des Alltags: Teuer oder kostengünstig, Experte oder Newcomer, namhafte Referenzen oder nicht,
     seitenweise Qualifikationsnachweise oder kaum Zertifikate – all das ist am Ende des Tages keine Garantie für die Güte eines
     Trainers. Es sagt höchstens etwas über seine Vermarktungsfähigkeit aus. Mit anderen Worten: In der Trainerbranche sind Blender
     und Bluffer gefragt, die durch die Seriosität ihres Auftritts und Konzepts höchst authentisch gefühlten Nutzen verkaufen.
     Die Meister unter ihnen werden ansehnlich honoriert. Gelungene Teilnehmerbeeinflussung hat halt ihren Preis. Und wenn ein
     »Guru« ins Haus kommt, dann kostet das natürlich deutlich mehr als ein »No-Name-Trainer |16| «. Aber der Kometenschweif der Kompetenz verspricht ungeahnten Bildungserfolg.
    Kampf um Daseinsberechtigung:
Sozialromantiker auf Selbstvermarktungspfaden
    Aber nicht nur Trainer wollen Geld verdienen. Die Personalentwickler in den Unternehmen natürlich auch. Bedauerlicherweise
     leiden sie unter dem Ruf, verklärte Sozialromantiker zu sein, sodass deren Daseinsberechtigung ständig auf der Kippe steht.
     »Wir kämpfen täglich ums Überleben und versuchen, Selbstmarketing zu machen«, sagte mir die Personalentwicklerin aus
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