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Was vom Tode übrig bleibt

Was vom Tode übrig bleibt

Titel: Was vom Tode übrig bleibt
Autoren: P Anders
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Ratten dazu bringen, was von demselben Zeug zu fressen. Also sind langsam wirkende Gerinnungshemmer in den Mitteln, die erst nach fünf bis sieben Tagen anfangen, die Ratte verbluten zu lassen. Trotzdem ist man den Ratten insgesamt damit nicht beigekommen. Wir verfüttern jetzt Mittel der dritten Generation, weil die Tiere gegen die anderen beiden Generationen inzwischen immun sind– es muss also immer wieder Überlebende gegeben haben, die das Wissen oder die Resistenz weitergegeben haben. Und dieses gesamte Arsenal haben wir gegen die Ratten im Keller aufgefahren. Wir haben das Mittel auch mit meinem Geheimtipp gemixt, Nussnougatcreme, das ist fast immer erfolgreich. In diesem Fall jedoch nicht. Die Tiere haben nichts davon angefasst. Weder als Gel noch in der Schlagfalle, weder in Knallbunt noch in Rot noch in Blau, vielleicht haben sie auch gemerkt, dass die Farben für Menschen abschreckend wirken sollen, und sich gedacht, was für Menschen nicht gut ist, kann eigentlich auch nicht für Ratten gut sein.
    Wir haben daraufhin mit Einverständnis der Hausverwaltung und der Mieter die Keller geöffnet. Und nur Rattenspuren in einem einzigen Keller gefunden. Es war viel Kot vorhanden und es stank bestialisch, aber es war schnell klar, dass es sich hier nur um eine einzelne Ratte handeln konnte. Also haben wir massiv den Keller mit Ködern bestückt. Und der Erfolg war gleich null. Die Ratte hat alles angefressen, Holz, Plastikverpackungen, Folien, den letzten Dreck, aber nicht unsere Köder. Ich fing richtiggehend an, die Ratte zu bewundern. Sie hatte wirklich was im Kopf. Aber sie roch trotzdem nicht gut. Also haben wir beschlossen, das Kellerabteil auszuräumen.
    Wir haben Stück für Stück rausgetragen. Und dann haben wir sie in einer Ecke gesehen. Kein besonders großes Tier, kein besonders hässliches. Eben eine Ratte. Hardy und ich, wir sahen uns an, und dann war schnell klar, dass ich derjenige sein würde, der sie erschlagen müsste.
    Ratten zu erschlagen ist nicht einfach. Die Tiere sind extrem schnell. Aber wir hatten sie ja in der Ecke, unter einem Regal. Das Kellerabteil befand sich in der Ecke des Kellers, insofern waren zwei Seitenwände des Abteils schon mal ausbruchsicher. Die mit Latten abgetrennten Seiten des Abteils haben wir dann lückenlos mit zwei Dutzend Schlagfallen abgedeckt, damit es hier kein Durchkommen gab. Dann nahm ich einen Eismeißel für überfrorene Gehwege, also eine kurze Stahlkante an einem Besenstiel.
    Ratten warten lange, wenn sie in die Enge getrieben sind. Sie beobachten genau die Situation und den Gegner, und erst im allerletzten Moment setzen sie zum Sprint an. Ich habe zigmal zugestoßen, und zigmal flitzte sie weg. Und dann haute sie ab, zwischen unseren Beinen durch, aus dem Keller raus, durch die Tür des Abteils. Wir haben geflucht wie sonst was, sind hinterhergerannt und hatten Glück, dass die Ratte ihren einzigen Fehler machte. Sie rannte in den Vorraum des Kellers. Und der war klein und dicht. Rundum vier Wände und zwei Stahltüren. Was die Sache für uns einfacher und gefährlicher zugleich machte.
    Verzweifelte Ratten sind zu allem fähig. Sie können brusthoch springen, sie beißen, und ein Rattenbiss kann gefährliche Infektionen verursachen. Ratten sind exzellente Kletterer, sie kommen in Sekunden hinter einem Heizkörper oder zwei Leitungsrohren auf Augenhöhe, und wenn man sich falsch angezogen hat, sind sie blitzschnell in den Hosenbeinen auf dem Weg nach oben. Ratten darf man nie unterschätzen. Also haben wir ganz vorsichtig gearbeitet. Mit einer langen Holzplatte hat Hardy den Raum künstlich immer mehr verkleinert. Und als wir sie in der Ecke hatten, habe ich dann einmal wirklich schnell zugestoßen.
    Das ist nicht schön, und man muss es wirklich schnell und kräftig machen, denn eine Ratte kann sehr jämmerlich quieken, und man fühlt sich dabei ganz mies. Wenn ich eine Ratte vergifte, kann ich mir immer noch sagen: » Letztlich hat sie ja selbst das Zeug gefressen, gezwungen hab ich sie nicht, wär sie halt besser abgehauen.« Aber hier kann ich beim besten Willen nicht mehr behaupten: irgendwie selbst schuld, Ratte.
    Andererseits hat der Keller wirklich grauenhaft ausgesehen. Wir haben ihn dann auch gereinigt wie einen Leichenfundort, desinfiziert, mit Chlorbleichlauge ausgewaschen, damit man da auch wieder atmen konnte. Aber trotzdem. Marder vergrämen, Mäuse vergiften, Wespen töten oder Silberfischchen, bei denen man den Wohnungsbesitzern
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