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Was vom Tode übrig bleibt

Was vom Tode übrig bleibt

Titel: Was vom Tode übrig bleibt
Autoren: P Anders
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begegnet. Es heißt ja in vielen Nahtodschilderungen, dass Leute ihren Körper verlassen und dann über ihm schweben und die Szenerie von oben beobachten– gesehen habe ich dabei noch niemanden. Es hat mir bisher noch niemand aus dem Jenseits Zeichen gegeben, und mir sind bislang auch keine Geister begegnet, die keine Ruhe gefunden haben, weil ihre Wohnung so furchtbar stinkt oder weil irgendeine Angelegenheit noch ungeregelt ist. Und ich kann versichern, dass ich an vielen Orten war, wo mehr als genug ungeregelt war. Falls sich eine Seele da Sorgen machen wollte, hätte es an meinen Einsatzorten jede Menge Gelegenheiten dazu gegeben. Doch das Jenseits spricht leider nicht mit mir, ich weiß darüber auch nicht mehr als andere. Aber Glauben heißt Nicht-Wissen. Und wir, meine Frau und ich, wir haben unsere eigene Art Glauben: Wir denken, dass unsere Angehörigen über uns wachen.
    Ich mag den Gedanken.

27. Kundendienst
    Wenn man eine völlig unbetretbare Wohnung herrichtet, kann man eigentlich nicht viel falsch machen. Der Kunde freut sich, wenn er die Wohnung wieder begehen kann, und er erwartet nicht, dass sie vollkommen gereinigt worden ist. Viele meiner Kollegen übergeben sie auch in einem nicht ganz sauberen Zustand, aber hier beginnt eine besondere Leidenschaft von mir. Ich möchte eine perfekte Arbeit abgeben, und dazu gehören ein paar Dinge, die ich erledigen muss– nicht nur als Dienst am Kunden, sondern auch, weil ich es mir selbst schuldig bin.
    Punkt 1 : Das geputzte Bad
    Nirgends kann man leichter als Leichenfundortreiniger beim Kunden punkten und den Unterschied zwischen vorher und nachher besser und deutlicher rausstellen als beim Bad. Viele Bäder sozial vereinsamter Menschen sind völlig heruntergekommen und verdreckt, ohne dass jemand darin gestorben ist. Wenn der Auftraggeber nach meiner Beendigung der Arbeit als Erstes ins Bad guckt und einen Raum sieht, in dem er sofort unter die Dusche gehen würde, hat man schon mal gewonnen. Und wenn nichts Gravierendes passiert ist, dann ist so ein Badezimmer auch relativ leicht zu reinigen– genau dafür sind die Fliesen ja gedacht.
    Punkt 2 : Die Fenster
    Mit Fenstern kann man fast noch leichter beeindrucken, es denken nur viele nicht daran, weil die Reinigung nicht immer nötig ist. Wenn wir zum Beispiel einen Raum mit Chlorbleichlauge behandeln, dann läuft die logischerweise nicht nur an den Wänden, sondern auch an den Fensterscheiben herunter. Das ist nicht unhygienisch, aber es sieht hässlich aus, so bleich verschliert. Und selbst wenn das nicht so ist, sind die Fenster in Leichenfundortwohnungen oft lange nicht geputzt worden, sie sind verstaubt, verklebt, verraucht. Mit einem Eimer Wasser, Putzmitteln und einem von diesen Wasserabstreifern, wie man sie an Tankstellen findet, geht das Fensterreinigen ruckzuck, ohne jeden Aufwand. Der Effekt ist unbeschreiblich, die simple Tatsache von geputzten Fenstern kann den Unterschied von » renoviert« und » wohnlich« ausmachen, ich bin selber immer wieder überrascht. Wenn ich Single wäre, in einer vernachlässigten Junggesellenbude wohnen würde und ich hätte eine halbe Stunde Zeit vor einem Date, um die Wohnung herzurichten, ich würde als Erstes die Fenster putzen– damit lässt sich am effektivsten die größte Wirkung erzielen.
    Punkt 3 : Die Dekoration
    Wenn wir fertig sind, versuche ich eine Art Schokopralinen-Effekt zu erzielen– wie im Hotel, wo auf dem Kopfkissen oft als Willkommensgruß ein Schokoplätzchen oder eine Praline liegt. Ich freue mich immer, wenn ich so etwas in meinem Hotelzimmer vorfinde, obwohl dadurch weder das Bett noch das Zimmer auch nur einen Hauch sauberer wird. Aber etwas in dieser Art möchte ich auch meinen Kunden bei ihren Wohnungen bieten. Das geht natürlich nicht in leeren Räumlichkeiten. Aber wenn wir nicht alles entrümpeln müssen, sondern nur Teile der Einrichtung entsorgen und im Wesentlichen den Großteil der Wohnung reinigen können, dann versuche ich das Mobiliar zu arrangieren. Auf den geputzten Tisch lege ich ein Deckchen und stelle eine Kaffeekanne dazu, oder ich gruppiere die Möbel nicht irgendwo in einer Ecke, sondern so, dass man dort gleich Platz nehmen kann. Das ist keine große Kunst, ich bin ja kein Innenarchitekt, aber es sieht einfach behaglicher aus.
    Punkt 4 : Wie vorher
    Ich habe bereits erwähnt, dass ich Fotos vom Zustand der Wohnung mache, wie wir sie vorgefunden haben, dass wir versuchen, sie nach den Bildern wieder herzurichten.
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