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Was vom Tode übrig bleibt

Was vom Tode übrig bleibt

Titel: Was vom Tode übrig bleibt
Autoren: P Anders
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Das geht nicht immer, denn wenn wir die komplette Einrichtung in den Sperrmüll feuern, werden wir nicht eine neue nachbasteln. Aber wenn sich’s anbietet, machen wir’s so. Einfach weil man auf dem Gesicht des Kunden seine Gefühle ablesen kann. Erst sein Misstrauen: » Haben die hier überhaupt was gemacht?« Dann die Überraschung: » Die haben hier ja schon alles gemacht!« Und schließlich seine Zufriedenheit.
    Punkt 5 : Sachensucher
    Dieser Punkt erinnert mich ein bisschen an mein Wespenheldentum: Irgendwo sitzt ein armer Mieter oder Hausbesitzer und leidet unter einem mordsgefährlichen Wespennest, und dann komme ich und bringe alles wieder in Ordnung– na ja, von meiner Perspektive aus betrachtet (und der jedes anderen Schädlingsbekämpfers), ist das mit den Wespen natürlich nicht so gefährlich. Ähnlich verhält es sich auch mit Leichenfundorten, denn häufig sind die Angehörigen verzweifelt, weil sie für irgendwelche Ämter irgendwelche Papiere brauchen. Oder den Schlüssel zu irgendeinem Safe oder irgendeiner Tür. Na, und das ist eben ein Fall für den feuerwehrausgebildeten Tatortreiniger. Meine Mitarbeiter und ich haben schon in Dutzenden geöffneter Wohnungen nach Schlüsseln gesucht, nach Geld, nach Papieren, Akten, nach den unterschiedlichsten Dingen, die die Wohnungsinhaber scheinbar planlos irgendwo hingeräumt haben. Aber in Wirklichkeit liegen diese Sachen immer an denselben Stellen, die muss man nur kennen. Diese sind zwar nicht in jeder Wohnung die gleichen, ganz so einfach ist es nicht, aber wenn man ein paar Hundert Wohnungen geöffnet hat, dann sieht man ziemlich schnell, welche Schublade in dieser Wohnung für Schlüssel in Frage kommt, welche für den Pass und wo hier vermutlich ein kleines Bargeldlager sein könnte. Wenn Trickdiebe, die sich bei alten Leuten als Gasinspektor ausgeben, schnell in deren Wohnungen die Wertsachen finden, dann ist das keine Zauberei, sondern Erfahrungssache. Auch meine Mitarbeiter und ich haben diese Erfahrung, weshalb es normalerweise eine halbe bis dreiviertel Stunde dauert, bis wir den zuständigen Leuten alles in die Hand drücken können, meistens auch noch komplett, Schlüssel, Wertsachen, Ausweise, Uhren, Bargeld, alles da. Das macht mich stolz, das ist einer der kleinen Showeffekte, die ich gern mag, und das Schöne daran ist ja, dass ich den Zaubertrick live vorführe, wenn ich mit den Angehörigen durch die Wohnung gehe und mit ein, zwei Griffen alles habe. Oder mal eben 500 Euro aus einem Besteckkasten rauszaubere, wie in der Wohnung einer toten Sozialhilfeempfängerin, bei der man überhaupt nicht glauben mag, dass da noch Geld übrig ist, so wie’s in der Wohnung aussieht. Aber vielleicht hatte die Dame auch selbst schon ein wenig den Überblick verloren.
    Manchmal tauchen auch Akten auf, von denen die Angehörigen nichts wussten, über Kleinstkriminalität, gerade bei Alkoholkranken– wenn sie Geld haben, sind’s meistens Alkoholdelikte wie Trunkenheitsfahrten, wenn sie kein Geld haben, Beschaffungskriminalität, manchmal findet man auch Waffen. Die Hinterbliebenen sind darüber nicht so erfreut wie über Bargeld, wenn wir ihnen die Akten oder Waffen überreichen. Aber es ist auch für mich eine Bestätigung, dass ich diesen Job so gründlich erledigt habe, wie es mein Anspruch an mich selbst ist. Ob man dies nun » Verkaufe«, nennt, » Marketing«, » Kundendienst«– es ist das kleine Geheimnis, gewissenhafte Arbeit genauso gut aussehen zu lassen, wie sie ja tatsächlich ist. Aber manchmal glaube ich auch, ich bediene hier meinen eigenen Perfektionismus. Kann sogar sein, dass dies der Hauptgrund für meinen Kundendienst ist: Ich könnte sonst die Einsatzorte überhaupt nicht verlassen. Man kann’s fast zwanghaft nennen. Ich bin sozusagen der Putz-Monk.

28. Skrupel
    Tiere zu töten ist kein Spaß. Es ist auch keine Leidenschaft von mir. Das klingt vielleicht seltsam, wenn das jemand behauptet, der schätzungsweise eine Million Fliegen getötet hat, eine Million Wespen, Tausende Ratten, Mäuse, Speckkäfer. Aber im Grunde habe ich dasselbe Problem, das es in der Spionage oft gibt.
    Es heißt, Geheimdienste würden allen ihren Spionen misstrauen, und zwar umso mehr, je länger sie im Ausland sind. Denn die Geheimdienste wissen, je länger ihre Außendienstleute die andere Seite kennengelernt haben, desto mehr Verständnis entwickeln sie für sie. Sie wissen, warum die Menschen in dem jeweiligen Land so sind, wie sie sind. Und das
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