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Was kostet die Welt

Titel: Was kostet die Welt
Autoren: Nagel
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Partnerlook. Wie süß.
    Andrea klimpert aufgebracht mit ihren garagentorgroßen Augenlidern. »Ich würde sagen, wir gehen dann mal besser.« Sie packt Yannik am Arm und zieht ihn hinter sich her.
    Â»Dann mal gute Nacht, ihr zwei Hübschen«, sage ich.
    Â»Jau, hau rein«, sagt Yannik. Ich bin mir sicher, dass er dafür gleich noch einen schlimmen Anschiss von seiner Freundin kriegt.

    Alle, die ich anspreche, starren mich genauso entgeistert an wie Yannik und Andrea. Als wäre es das Ungewöhnlichste auf der Welt, samstagnachts Drogen nehmen zu wollen. Kann mir doch keiner erzählen, dass das auf dem Dorf niemand macht.
    Aber sogar die jugendlichen Punks, die im Kreis auf der Wiese sitzen und eine Flasche Wein rundgehen lassen, fragen mich, ob ich sie verarschen will. Einer von ihnen weist mich empört darauf hin, dass sie mit Drogen nichts am Hut hätten. Er hat niedliche Teddybäraugen und trägt einen herunterhängenden Iro, der sich am Montag in der Schule wieder problemlos zu einer netten Zopffrisur zurechtbinden lässt. Die Schnürsenkel seiner Springerstiefel sind offen, so dass man mit ihnen weder ordentlich zutreten noch gut wegrennen kann.
    Die Punks von heute sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Sitzen knopfäugig im Schneidersitz auf dem
Weinfest rum und verabscheuen Drogen. Was kommt als Nächstes, das Ehrenamt im Heimatverein?
    Ach, fast vergessen, hier sind ja alle total auf dem Teppich geblieben. Der einzige Teppich, auf dem ich jetzt sein möchte, ist ein fliegender.
    Ein Junge mit halblangen Haaren kommt mir hinterher, als ich Richtung Bierwagen torkele. Er sieht mit seinem Slipknot-T-Shirt eher aus wie ein Metalfan, doch auf dem Dorf kann man sich solch feine Unterscheidung wahrscheinlich einfach nicht leisten, da wird Unity noch mit langem »U« geschrieben.
    Er sagt, er kennt einen, der einen kennt, der vielleicht noch »einen Pickel Piece« hat. Es dauert ein bisschen, bis ich verstanden habe, dass er von Haschisch redet.
    Â»Ja, mach mal klar, ich warte am Bierkarussell«, sage ich, torkele weiter und bestelle ein Bier und zwei Wodka bei dem Rotgesichtigen, dessen Blick so wirr ist wie sein Haar. Er sieht aus wie Wolfgang Thierse, der alte Fürst der Langeweile, die fleischgewordene Freudlosigkeit. Wolfgang Thierse bei seinem Nebenjob auf einem Weinfest an der Mosel, herrlich, diese Sörzer Freakshow. Gib her den Schnaps, mein Kopf verlangt nach Explosion, mein Körper dürstet nach Inferno.
    Ich kippe den Wodka im grellen Licht des Bierwagens, er reißt mich fast aus den Schuhen. Dunkle Flecken erscheinen vor meinen Augen wie gierige kleine Käfer. Ich kneife sie zusammen und halte mich an der nassen Theke fest. Als ich die Augen wieder öffne, erscheint mir alles noch greller und konturloser als vorher. Ich taumle einen Schritt aus dem Scheinwerfer heraus. Drehe mich um. Stolpere beinahe gegen ein Mädchen.
    Â»â€™tschuldigung!«

    Â»Nichts passiert«, sagt sie lächelnd.
    In ihrem Haar sitzt eine kleine, mit Weinblättern verzierte Krone. Die Weinkönigin! Ich habe um ein Haar die Weinkönigin über den Haufen gerannt!
    Sie hat ein riesiges Weinglas in der Hand und trägt ein langes, glänzendes Kleid. Es ist mintgrün, hat auf der Brust festgezurrte lila Schnüre, und davon abgesetzt ockerfarbene Puffärmel.
    Â»Du siehst ja aus wie die Britische Botschaft!«, sage ich.
    Â»Was?«, sagt die Weinkönigin.
    Â»Die Britische Botschaft! Wilhelmstraße, Ecke Unter den Linden!«
    Keine Ahnung, wie ich da jetzt drauf gekommen bin. Aber es stimmt, der komische Bau in Mitte hat die gleichen Farben wie das Kleid der Sörzer Weinkönigin, die jetzt mit gespielter Empörung die Arme vor der Brust verschränkt und lacht.
    Â»Also, ich muss doch sehr bitten!«
    Â»Verzeihung, Hoheit«, sage ich. »Mein Name ist Meise, ich bin hier nur zu Besuch.«
    Das Schlimmste auf der Welt ist, wenn man sich selbst lallen hört, so wie ich mich gerade. Nein, stimmt nicht, noch schlimmer ist, wenn man einen Schluckauf vom Saufen bekommt. Das darf mir jetzt nicht passieren. Es ist fünf vor Schluckauf. Ich halte den Atem an und versuche mich zu konzentrieren. Auf Radio Eins habe ich mal gehört, das beste Mittel gegen Schluckauf sei eine Rektalmassage. Keine Ahnung, wie sie das herausgefunden haben.
    Â»Meise?«, sagt die Weinkönigin.
    Â»Ja«, sage
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